Archiv für Juli 2010

Aber doch bitte keine Science-Fiction

Boing-Boing hat mal wieder etwas lustiges ausgegraben: In England wurde ein Autoren-Preis für Nachwuchsautoren ausgelobt. Um das Werk von H.G. Wells zu ehren, waren Nachwuchsautoren aufgefordert ihre Kurzgeschichten an den ehemaligen BBC-Reporter Reg Turnhill zu schicken. Der heute 94-jährige Turnhill hatte als junger Mann H.G. Wells persönlich getroffen und für’s Radio interviewt.

Nachdem im letzten Jahr sehr viele Science-Fiction Beiträge eingegangen waren, hatte Turnhill es in diesem Jahr zur  Bedingung gemacht, dass alle Texte handgeschrieben sein müssten, und keine Science-Fiction angenommen würden:

“I wanted people to write the stories by hand as a condition of entry to address the low standard of literacy and handwriting these days.”

Und weiter:

“I also wanted the stories to reflect life in 2010 so they would interest readers in 2110, in the way that Wells’ stories do.
My aim in offering the £1,000 prize was to get people to mimic what Wells did in the 1900s.”

Zusammengefasst also: Das Schreiben mit Maschinen ist ein ein Zeichen für Analphabetismus, und um Wells zu ehren sollte man keine Science-Fiction schreiben, sondern lieber so wie, nun ja, Wells.

Da stellt sich mir die Frage ob der gute Mr. Turnhill mit den Werken von H.G. Wells wirklich vertraut ist?

Überraschend war die Anzahl der eingegangenen Beiträge dann auch nicht mehr: Kein einziger.

Vor Gebrauch schütteln, nach Schütteln nicht mehr zu gebrauchen

Im Rahmen der aktuellen Sparpakete wurden aus der Bundesregierung Überlegungen laut, die Homöopathie als Therapieform aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen zu streichen.

Bislang ist die Erstattung für homöopathische Behandlungen eine sog. Wahlleistung, d.h. die Kassen können die Leistung bezahlen, wenn sie dies anbieten möchten. Dies ist ein Unikum im deutschen Kassensystem, den eigentlich dürfen nur Leistungen der sog. evidenzbasierten Medizin erstattet werden, also solche, deren Wirksamkeit mit wissenschaftlichen Methoden verifizierbar ist. Homöopathie erfüllt dieses Kriterium nicht. Aber was ist eigentlich Homöopathie?

Die Homöopathie (griech. homoios=ähnlich, pathos=Leiden)  wurde  1796 von dem deutschen Mediziner Samuel Hahnemann entwickelt. Sie basiert auf dem  Simile-Prinzip “Simile similibus curentur” (”Ähnliches wird mit ähnlichem geheilt”), wie es in Ansätzen schon bei Paracelsus zu finden ist. Dabei geht man davon aus, dass eine Substanz, die beim Gesunden ähnliche Symptome hervorruft, wie sie der Kranke hat, beim Kranken die umgekehrte Wirkung haben müsse.

Das Simile-Prinzip geht auf einen Selbstversuch Hahnemanns zurück, bei dem er heraus fand, dass die Rinde des gelben Chinarindenbaumes (Cinchona offincialis), Fieber hervorzurufen vermag. Schon damals war bekannt, dass die Rinde, aus der später auch die Arznei Chinin gewonnen wurde, gegen die gefürchtete Malaria wirkt. Nach vielen Experimenten mit diesem und anderen Stoffen kam Hahnemann zu dem Schluß, dass Ähnlichkeitsprinzip müsse Gültigkeit haben, und postulierte es als Grundpfeiler seiner neuen Medizinlehre.

Die Arzneimittelprüfung in der Homöopathie wird üblicherweise am Gesunden durchgeführt. Treten bei diesem nach der Einnahme des Mittels ähnliche Symptome wie bei der Krankheit auf, die bekämpft werden soll, ist das Mittel richtig gewählt.

Die Potenzierung soll die Wirkung des Medikamentes verstärken. Dabei wird die Ausgangssubstanz (sog. Urtinktur) mehrfach im Verhältnis  1:10 (D-Potenz) 1:100 (C-Potenz) oder 1: 50.000 (Q- oder LM-Potenz) in Wasser oder Alkohol verdünnt. Dazwischen muss, je nach Art des Medikaments, die Lösung geschüttelt werden. Dabei ist die Anzahl  der Schüttelschläge  genau vorgegeben. Hierdurch soll die Wirkung er Urtinkur auf das Lösungsmittel übertragen werden.

Bei einer D30 Potenz wird also ein Teil der Urtinktur mit zehn Teilen Lösungsmittel verdünnt, anschließend wird die Lösung geschüttelt (im Falle einer D-Potenz: 10 mal). Dieser Vorgang wird 30 Mal wiederholt, wobei die Ausgangsubstanz jeweils die sich ergebende Lösung des vorherigen Durchlaufes ist.

In der modernen Medizin (von Anhängern der Homöopathie gern “Schulmedizin” genannt), gilt die Homöopathie als wirkungslos. Trotz zahlreicher Versuche konnte bislang keine Wirkung nachgewiesen werden. Die “Schulmedizin” legt die Latte bei der Arzneimittelprüfung allerdings auch höher als die Homöopathie: Eine Arznei gilt als wirksam, wenn in einer Doppelblindstudie erwiesen wurde, dass es eine signifikant höhere Wirkung gibt, als bei der Kontrollgruppe, die ein Placebo erhält. In keinem dieser Tests konnten homöopathische Präparate bislang eine Wirkung nachweisen.

Noch schlimmer steht es um das hinter der Homöopathie stehende Wirkmodell:

Das Simile-Prinzip wird dadurch durchbrochen, dass dem Patienten der eigentliche Wirkstoff gar nicht verabreicht wird: Schon bei einer Potenz von D23 ergibt sich, dass die Wahrscheinlichkeit, dass auch nur ein einziges Molekül der Ursprungssubstanz in der Lösung verbleibt, gegen Null strebt. Dies lässt sich aus dem Avogadro-Gesetz und der Stoffmenge herleiten. Der Wirkstoff selber kann also nicht an der Heilung beteiligt sein. Daher argumentieren die Anhänger der Homöopathie, dass die erwünschte Wirkung der Urtinktur sich durch das Schütteln auf das Wasser übertrage.

Damit verlässt die Homöopathie aber endgültig den Boden des Rationalen, und begibt sich, wissenschaftstheoretisch auf brechendes Eis: Weder in der Chemie, noch in der Physik ist ein Verfahren bekannt, bei dem durch schütteln eine Eigenschaft von einem Molekül auf ein anderes übertragen wird. Die bekannten Gesetzte der Physik und der Chemie schließen eine solche Übertragung sogar aus: Die chemischen und physikalischen Eigenschaften einer Substanz sind direkt gekoppelt an ihre chemische Struktur.   Fragt man Anhänger der Homöopathie nach dem physikalischen Prinzip dieser Eigenschaftenübertragung, ist oft etwas diffus von “Energien” die Rede, die auf das Wasser übergingen.

Tatsächlich kennt die Physik nur einen Weg Informationen von einem Medium auf ein andere zu übertragen: Durch die Übertragung von Energie. Eine solche ist beim Vorgang des Potenzierens aber nicht beobachtbar. Hinzu kommt, dass die Homöopathie behauptet, die Wirkung des Medikaments steige mit höherer Potenzierung an. Wenn hierbei eine Energie vom Ausgangsstoff auf das Lösungsmittel übertragen würde, gibt der erste Hauptsatz der Thermodynamik aber vor, dass die vorhandene Energie im Gesamtsystem (Urtinktur und Lösung) gleich bleiben müsse. Um die Wirkung zu verstärken müsste man demzufolge von außen Energie zuführen und diese in die gewünschte “Wirkenergie” zu wandeln. Hält man sich vor Augen, dass eine Potenz von D78 etwa der Stoffmenge einer Aspirintablette auf der Wassermenge des Atlantischen Ozeans entspricht, wird klar, dass man gewaltige Mengen an Energie bräuchte um den postulierten Effekt zu erzeugen.

Da die Behauptungen der Homöopathie hier also im direkten Widerspruch zur Physik stehen, muss -aus homöopathischer Sicht- das Modell der Physik falsch sein. Es ist zwar üblich, und auch gewollt, dass in der Wissenschaft neue Theorien alte ablösen, aber die wissenschaftliche Erkenntnistheorie verlangt, dass eine neue Theorie all das erklären muss, was die Theorie, die sie ablösen soll, korrekt beschreibt. In unserem Fall bedeutet das, dass die Homöopathie nun in der Bringschuld ist, eine Alternative zum ersten Hauptsatz der Thermodynamik zu bringen, die den bisherigen Erfolgen dieser Theorie standhält. Angesichts der Tatsache, dass dieser Satz einer der Grundpfeiler der klassischen Physik ist, und damit eine Menge davon abhängt, ist das eine große Aufgabe.

In der Wissenschaft ist es im übrigen üblich, dass derjenige, der einen These aufstellt, in der Bringschuld ist. Es ist also an den Homöopathen ihre Thesen zu belegen, nicht an den Skeptikern, sie zu falsifizieren.

Die Homöopathie kann sich also letztlich nur auf den Glauben an ihre Wirksamkeit zurückziehen. Für die Leistungserbringung durch eine von einer Solidargemeinschaft getragene Krankenversicherung ist dass zu wenig. Da nicht alle Versicherten auch “Gläubige” sind, die Kassen aber Rechenschaft ablegen müssen über die Verwendung der Gelder, können nur Leistungen erbracht werden, deren Wirkungen für die Versicherten objektiv überprüfbar sind.

In einem Punkt sollte die “Schulmedizin” aber von Homöopathen und Heilpraktikern lernen: Diese nehmen sich in der Regel viel Zeit für ihre Patienten, hören zu, und geben den Patienten das Gefühl mehr zu sein als eine biologische Maschine die funktionieren muss. Dadurch entsteht ein Gefühl des Vertrauens und des Geborgenseins beim Patienten. Und das eine solche Umgebung der Heilung zuträglich ist, ist durchaus wissenschaftlich belegbar. Die Kassen sollten die Zahlung homöopathischer Therapien einstellen, und dafür den Ärzten ein ausführliches Patientengespräch vergüten. Manche “schulmedizinische” Pille wird dann vielleicht auch überflüssig.

Wie man Online Zeitungen verkauft

Vor einiger Zeit hatte ich hier darüber berichtet, welche Probleme es mit dem Online-Abo der Zeit gab. Im Detail: Ich wollte die Zeitung gerne auf meinem iPhone lesen, konnte aber das DRM-geschützte Format erst durch viele Umwege auf das iPhone bekommen, nur um dann festzustellen, dass die DRM-Methode von Adobe, die hier zum Einsatz kommt, von keiner Anwendung unterstützt wurde.

Dank eines Leserhinweises konnte ich mir mit dem Programm Txtr behelfen, dass aber immer noch mehrfaches herauf- und herunterladen erfordert, und -gelinde gesagt- etwas unhandlich ist.

Das zwischenzeitliche Erscheinen des iBook-Apps hat an dieser Situation auch nicht viel geändert. Was allerdings vorrangig am Dauerstreit zwischen Apple und Adobe liegen dürfte.

Schon kurz nach meinem Blogbeitrag erhielt ich allerdings eine Mail von einem Herrn Heise, von der Zeit, der versprach, sich um das Problem zu kümmern.

Und was soll ich noch sagen: Herr Heise hat Wort gehalten! Seit letztem Donnerstag können Abonenten des Online-Abos der Zeit neben der bisherigen PDF-Version, die ePub Version der Zeitung ohne DRM-Schutz herunterladen. Damit ist die Abhängigkeit von Adobe Digital Editions nicht mehr gegeben. Wer das Adobe-Programm weiterhin nutzen möchte kann das natürlich tun, ich habe die Zeitung aber auch mit Callibre, Stanza und Apples iBooks App problemlos öffnen können.

Anders als bei Txtr, funktionieren nun auch Links und das Inhaltsverzeichnis richtig und es lassen sich beliebige Bookmarks setzen und Textteile markieren, so dass dem mobilen Lesegenuss nichts mehr im Wege steht.

Damit steht die Zeitung jetzt ihren Lesern in der PDF- sowie in der ePub Form uneingeschränkt zur Verfügung, womit der allergrößte Teil der Lesegeräte abgedeckt sein sollte. Das beide Formate offene Standards sind, ist ein Pluspunkt, denn ich nicht unerwähnt lassen will.

An dieser Stelle nochmal ein herzliches Dankeschön an Herrn Heise, der sich die Mühe gemacht hat, meine -und sicher auch die Kritik von anderen Lesern- anzuhören, und die Probleme und Wünsche der Leser ernstzunehmen.