Die New York Times berichtet über einen Fall, der derzeit vor Gericht verhandelt wird, der abgesehen von einigem Skandalpotenzial, ein Schlaglicht auf das Rechtsstaatsverständis U.S.-amerikanischer Behörden wirft. Der Bericht ist zwar schon etwas älter, aber gerade deswegen von Interesse weil er die Denkweise der Überwacher deutlich macht; und die Gefahr für den Rechtsstaat, der von dieser Denkweise ausgeht.
Aber beginnen wir mit dem Anfang: Vor 6 Jahren wurde die damals 13-jährige Schülerin Savana Redding ins Büro des Schuldirektors bestellt. Eine Mitschülerin war mit verschreibunspflichtigen Tabletten erwischt worden (es soll sich um hochdosierte Ibuprofen gehandelt haben), und hatte behauptet, die Tabletten von Redding bekommen zu haben.
Im Büro des Schuldirektors wurde Redding nun gezwungen sich in Anwesenheit mehrer Lehrer und der Schulkrankenschwester bis auf die Unterhose auszuziehen, und eine Leibesvistation über sich ergehn zu lassen, um nach Drogen zu suchen. Schließlich, schildert Redding, mußte sie auch die Unterwäsche herunterlassen:
The search by two female school employees was methodical and humiliating, Ms. Redding said. After she had stripped to her underwear, “they asked me to pull out my bra and move it from side to side,” she said. “They made me open my legs and pull out my underwear.”
Das Mädchen wurde erst nach der demütigenden Prozedur überhaupt über den Sachverhalt aufgeklärt, und dazu befragt. Gefunden wurde bei ihr nichts.
Reddings Mutter hat damals umgehend gegen die Behandlung ihrer Tochter geklagt, mittlerweile durch alle Instanzen, so daß der Fall der inzwischen 19-jährigen nun vor dem obersten Bundesgericht, dem Supreme Court, verhandelt wird. Obwohl schon frühere Instanzen für Redding entschieden haben, hat die Schule stets Revision eingelegt, um ihre “Zero-Tolerance” Politik in Sachen Drogen zu verteidigen. Dabei hat bereits in einem Verfahren einer niederen Instanz die zuständige Richterin deutliche Worte gefunden:
Writing for the majority, Judge Kim McLane Wardlaw said, “It does not require a constitutional scholar to conclude that a nude search of a 13-year-old child is an invasion of constitutional rights.”
“More than that,” Judge Wardlaw added, “it is a violation of any known principle of human dignity.”
Wie wenig die Schule diese Aussage verstanden hat, wird besonders deutlich an einer Entgegung der Schule auf Reddings Vorwurf, man habe sich ja nicht einmal die Mühe gemacht, ihre Schulakte einzusehen, aus der ihr bislang makelloses Betragen hervorgegangen wäre. Die Schule bestätigte daß0 Redding eine gute Schülerin gewesen sei, und keinerlei negativen Einträge in ihrer Schulakte auftauchen. Aber:
“Her assertion should not be misread to infer that she never broke school rules,” the district said of Ms. Redding in a brief, “only that she was never caught.”
Diese Aussage verrät wie es zu dem Übergriff überhaupt kommen konnte: Der Gedanke das Ms. Redding sich tatsächlich nie etwas hat zuschulden kommen lassen, kommt den Verantwortlichen nicht einmal, nachdem mehrere Gerichtsinstanzen sie mit der Nase darauf gestoßen haben. In den Augen der Verantwortlichen kann Redding gar nicht im Recht sein, da sie ja etwas ausgefressen haben muß, also war auch die entwürdigende Behandlung angemessen. Schuldig, egal was sie sagt oder tut.
Es ist dieselbe Geisteshaltung, die auch den Überwachungsphantasien unserer Politiker zugrunde liegt, ein grundlegendes Mistrauen gegen alle und jeden. In so einem Klima braucht es keine Terroristen oder Kinderpornographen mehr, die Kinder werden einfach zu Tode geschützt.
Schlagworte: Kinderschutz, Schule, USA
… verschreibunspflichtige Tabletten. Was wäre bloß passiert, wenn sie eine Linux-Raubkopie dabei hätte?