Quo vadis, Informationsfreiheitsgesetz?

Im Gegensatz zu den sehr umfassenden Ausdrücken Informationszugang oder Informationsfreiheit im Alltag beziehen sich die Informationsfreiheitsgesetze lediglich auf die rechtliche Regelung des Zugangs der Bürgerinnen und Bürgern zu den Informationen über die Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung. Hintergrund ist die in vielen westlichen Demokratien vorherrschende Auffassung, dass von der Verwaltung gesammelte und erzeugte Informationen internes Wissen darstellt und nur aus besonderen Grund an berechtigte Externe weitergegeben werden darf – ein Relikt aus den Zeiten der Monarchien. Demgegenüber können Bürgerinnen und Bürger ihre Rechte der Mitbestimmung und Kontrolle staatlicher Stellen in einer repräsentativen Demokratie nur ausüben, wenn sie sich über deren Tätigkeiten informieren können. Aus diesem Grund hat Schweden schon 1766 den Zugang zu Unterlagen aus der Verwaltung als Grundrecht verankert und 239 Jahre später der Bundestag ein Informationsfreiheitsgesetz für Bundesbehörden geschaffen. Mittlerweile haben 11 Bundesländer ähnliche Gesetze für ihre Landesbehörden.

Die heute stattfindende Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten der Bundesländer hat die Verbesserung der Nutzung der Gesetze auf freien Zugang zu Informationen von Bund und Ländern als Thema. Im Vorfeld kritisierte der Konferenzleiter, Sachsen-Anhalts Datenschutzbeauftragter Harald von Bose, dass der weitgehend freie Aktenzugang nur selten genutzt wird. Kein Wunder, da ein Recht auf Akteneinsicht das Wissen über entsprechende Akten voraussetzt. Dieses Wissen haben Bürgerinnen und Bürger im Allgemeinen nicht. Hinzu kommt, dass Bürgerinnen und Bürger Akten erst nach einer langwierigen Prüfung der Herausgabe ausgehändigt bekommen. In der Tagespolitik ist es aber nutzlos, wenn man für anstehende Entscheidungen Informationen ein halbes Jahr später bekommt. Daher haben sich die bestehenden Informationsfreiheitsgesetze z.B. für Bürgerinitiativen als unbrauchbar erwiesen.

Zur Überwindung der Zugangsprobleme wurde bereits 2001 im Bundesland Bremen ein Paradigmenwechsel mit einem mutigen Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz vorgeschlagen, der Push-Strategie:

  • Generell stellen Behörden sämtliche Informationen frei zugänglich in das Netz. Ausnahmen sind begründungspflichtig.
  • Veröffentlicht werden die Informationen aller Behörden in einem gemeinsamen Verzeichnis mit einer Suchfunktion

Dieser Wechsel vom einzelfallbedingten Heraussuchen hin zu einer Vorab-Veröffentlichung sollte durch eine Option der Weitergabe zur Veröffentlichung in den Dokumentenmanagement-Systemen öffentlicher Stellen sichergestellt werden, die für alle neuen Dokumente die Regel sein sollte. Zudem ist diese Push-Strategie neben der Bürgerfreundlichkeit wesentlich effizienter, da der Arbeitsaufwand für Behörden einzelne Dokumente auszuhändigen entfällt.

Erdacht wurde die Push-Strategie von dem Professor für Angewandte Informatik Herbert Kubicek. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf brachten die Bremer GRÜNEN in die Bürgerschaft ein. Es folgte eine fünf Jährige Auseinandersetzung die immerhin 2006 mit einem Informationsfreiheitsgesetz für das Bundesland Bremen endete. Technisch wurde ein zentraler elekronischer Informationsregister realisiert. Die Push-Strategie wurde allerdings auf Grund der Widerstände seitens SPD und CDU nicht ausreichend gesetzlich verankert. Kubicek schrieb daraufhin:

In Bremen wurde die Chance vertan, ein Informationsfreiheitsgesetz zu verabschieden, das den Namen verdient und Verfahren beinhaltet, die dem Aktuellen Stand der Technik und Organisation entsprechen. Manchmal dauert es etwas länger, bis sich gute Ideen durchsetzen.”

Bleibt zu hoffen, dass auf Grund der Unbrauchbarkeit der bestehenden Informationsfreiheitsgesetze, die heute von den Informationsfreiheitsbeauftragten dahingehend diskutiert werden, sich Kubiceks gute Idee zukünftig durchsetzen wird. Den Gesetzestext hierzu gibt es schon (Mittlerweile sollten die Informationsregister zusätzlich eine API haben):

Dritter Abschnitt
Veröffentlichung öffentlicher Informationen

§ 17 – Allgemeines Veröffentlichungsgebot
(1) Die öffentlichen Stellen sollen die bei ihnen vorhandenen Informationen, an denen ein Interesse in der Bevölkerung erkennbar ist, veröffentlichen, soweit Rechtsgründe nicht entgegenstehen und die Veröffentlichung nicht mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist. § 13 gilt entsprechend.
(2) Die öffentlichen Stellen treffen geeignete organisatorische Vorkehrungen, damit Informationen, deren Veröffentlichung ausgeschlossen ist, von Informationen, die veröffentlicht werden dürfen, abgetrennt werden können.


§ 18 – Beratung durch die bzw. den Landesbeauftragten für den Datenschutz

Der oder die Landesbeauftragte für den Datenschutz berät die öffentlichen Stellen über den Umfang der zu veröffentlichenden Informationen. Ist eine öffentliche Stelle entgegen der Empfehlung der oder des Landesbeauftragten für den Datenschutz nicht bereit, eine bestimmte Information zu veröffentlichen, hat sie dies gegenüber der oder dem Landesbeauftragten für den Datenschutz innerhalb einer Frist von drei Wochen schriftlich zu begründen.

§ 19 – Veröffentlichungspflichten
(1) Jede öffentliche Stelle hat die von ihr erlassenen Verwaltungsvorschriften zu veröffentlichen.
(2) Durch Rechtsverordnung werden weitere Arten von Informationen ausdrücklich zur Veröffentlichung bestimmt.
(3) In anderen Gesetzen geregelte spezielle Veröffentlichungspflichten sowie Veröffentlichungspflichten, die ihren Grund in besonderen Rechtsverhältnissen haben, bleiben unberührt. (Siehe oben mein Hinweis auf § 17 Berliner IFG; hier wäre systematisch die Möglichkeit der beispielhaften oder abschließenden Benennung einzelner Aktenverzeichnisse und ihrer gesetzlichen Grundlagen.)

§ 20 – Art und Weise der Veröffentlichung
(1) Über die Art und Weise einer Veröffentlichung nach § 17 und § 19 entscheidet die öffentliche Stelle unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften.
(2) Die Informationen nach § 17 und § 19 sind so zu veröffentlichen, dass sie allgemein und möglichst leicht zugänglich sind. Der Zugang zu veröffentlichten Informationen darf kein Antragsverfahren voraussetzen. Die Hilfestellungen seitens der zuständigen öffentlichen Stellen nach § 5 Abs. 2 und § 9 Abs. 3 Satz 2 bleiben davon unberührt.
(3) Die Freie Hansestadt Bremen richtet ein zentrales Informationsregister ein, um das Auffinden der Informationen zu erleichtern. Das Informationsregister muss allgemein und möglichst leicht zugänglich sein. Die öffentlichen Stellen sind verpflichtet, Veröffentlichungen an das Informationsregister zu melden. Einzelheiten werden durch Rechtsverordnung geregelt.
(4) Der Zugang zu den veröffentlichten Informationen und zum Informationsregister ist unentgeltlich, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.
(5) Soweit dies ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist, sind alle zur Veröffentlichung vorgesehenen Informationen an das Städteinformationssystem bremen.online zu übermitteln, es sei denn, eine Übermittlung der Informationen an eine andere allgemein zugängliche Datenbank ist gesetzlich vorgeschrieben.

§ 21 – Grundsätze für die Erschließung, Aufbereitung und Übermittlung der zu veröffentlichenden Informationen
Die technischen und organisatorischen Grundsätze für die Erschließung, Aufbereitung und Übermittlung der zu veröffentlichenden Informationen werden durch Rechtsverordnung festgelegt.

Tags: , , , , , ,

Hinterlasse eine Antwort