Zwischen Realität und Marketing

Sperren sie nun, oder sperren sie nicht? Ein bremer Blogger der selbst Content-Provider ist, wollte es genau wissen, und hat nachgefragt. Die Antworten hat er zu Protokoll gegeben, und gibt für die Echtheit der Aussagen eine eidesstattliche Versicherung ab.

Demnach hat Arcor/Vodafone bestätigt an der Umsetzung zu arbeiten, und auch bereits seit April Seiten, von denen bekannt sei, daß sie Kinderporno enthalten, sperren würde. Damit würde Arcor/Vodafone den Vertrag, den sie im April mit der Bundesregierung geschlossen haben tatsächlich umsetzen.

Die Telekom geht, nach Aussagen ihrer Kundenberater noch einen Schritt weiter: Es würden nur einzelne Seiten, nicht aber ganze Server gesperrt (das bezieht sich wohl auf die DNS-Manipulation, statt des Blockens ganzer IPs. Auch würden Suchergebnisse gefiltert. Dazu jedoch müsste eine Deep Packet Inspection durchgeführt werden, die im Gesetz gar nicht vorgesehen ist, und möglicherweise sogar illegal wäre, hieße das doch die gesamte Kommunikation aller Kunden in Echtzeit zu überwachen. Nichts desto trotz blieb der Telekom Mitarbeiter bei seiner Darstellung.

Demgegeüber hat das Bundeskriminalamt, ebenfalls an Eidesstatt, erklärt überhaupt noch keine Sperrlisten zu versenden. Die beiden Provider haben sich denn auch bemüht, nachdem die Sache publik geworden war, die Aussagen zurückzuziehen, und zu dementieren, dass man bereits sperre.

Wie kann es zu solch einer Diskrepanz kommen? Welche Aussage ist nun richtig? Nun ich denke, beide Aussagen sind richtig, und gleichzeitig falsch.

Ich vermute, hier hat die PR-Abteilung der betroffenen Unternehmen einen Bock geschossen: In der -unter Sperrbefürwortern durch aus üblichen- Annahme, die Mehrheit der Bevölkerung begrüße die Sperren, hat man an die Mitarbeiter die Anweisung ausgegeben, zu behaupten -etwas unverbindlich natürlich- an den Sperren werde gearbeitet, und selbstverständlich würde man den Vertrag vom April dort wo man von dokumentiertem Kindesmisbrauch wisse, bereits umsetzen. Dies soll dem Kunden das positive Gefühl geben, es werde aktiv etwas gegen Kindesmisbrauch getan, und als braver Bürger sei man in guten Händen. Was die Marketingleute vermutlich nicht bedacht haben, ist das viele Kunden von dieser Art der Fürsorge nicht so begeistert sind. Ich vermute bei denen, die so über das Thema informiert sind, das sie bei ihrem Provider nachfragen, sind die Befürworter von Sperren eher in der Minderheit.

Im Falle des Mitarbeiters der Telekom kommt dazu, daß dieser möglicherweise nicht genau wußte, wie die Sperren eigentlich funktionieren, und sich, vielleicht duch die präzisen Nachfragen in die Ecke gedrängt, etwas zusammenfantasiert hat.

Für die PR-Abteilung ist die Veröffentlichung der Gesprächsprotokolle durch die Sperrgegner natürlich ein Desaster: Im Kontext der Sperrkritik  läßt sich der Eindruck eines menschenfreundlichen Unternehmens, dass brav seine staatsbürgerlichen Pflichten erfüllt, nicht mehr aufrechterhalten. Vielmehr steht die Befürchtung im Raum das ganze könnte so aufgefasst werden, als sei man willfähriger Erfüllungsgehilfe eines ausser Rand und Band geratenen Präventionsstaats. Dass die Unternehmen sich dann von den eigenen Aussagen distanzieren ist natürlich verständlich, besonders angesichts der immer noch anhaltenden Debatte über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes möchte niemand gerne in den Ruch vorauseilenden Gehorsams geraten.

Die tatsächliche technische Umsetzung hat, meiner Meinung nach, mit keiner der beiden Aussagen etwas zu tun. Die Untenehmen haben immerhin noch  Zeit die Sache zu implementieren bis das Gesetz in KRaft tritt, und jeder vernünftige Admin wird diese Zeit nutzen, um alles ausführlich zu testen. Immerhin wird bei der Manipulation des DNS quasi am Rückgrat des Internet herumgebastelt. Wenn da bei einem Unternehmen beim Einschalten der Sperren die DNS-Infrastruktur zusammenklappte, wäre das ein Debakel gegen das das aktuelle Geplänkel Kindergarten ist. Deswegen glaube ich, die Unternehmen werden, anstatt Schnellschüsse zu produzieren, die Zeit nutzen um die Sperren wenigstens so ordentlich zu implementieren, dass ihre Infrastuktur nicht gefährder ist. Doof sind die ja auch nicht.

Wahrscheinlich verdrehen die Techniker heimlich die Augen über die Aussendarstellung ihres Unternehmens.

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Eine Antwort zu “Zwischen Realität und Marketing”

  1. Torsten sagt:

    Nicht die PR-Abteilungen. Der First-Level-Support.

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