Archiv für November 2009

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Das Heise-Gen

Das Leserforum bei Heise.de gehört sicherlich zu den bekanntesten und meistgenutzten Diskusionsforen im deutschsprachigen Internet. Hunderttausende Lesern wühlen sich täglich durch redaktionelle Artikel, und hinterlassen in den Foren Einträge. Von Heise verlinkt zu werden, führt nicht selten zum Auftreten des Slashdot-Effekt auf den betroffenen Seiten.

Andererseits ist das Heise-Forum berüchtigt für seine -nicht gerade ausgeprägte- Diskussionskultur. Der Umgangston ist oft rüde; Polemik und Beleidigungen anderer Teilnehmer durchaus an der Tagesordnung.

So ist es wenig schmeichelthaft, wenn eine öffentlich Diskussion im Netz mit einem Heise-Forum verglichen wird. Die aktuelle Debatte um die Wikipedia-Löschaktionen zeigt aber leider, das die Heise-Foren-Kultur längst Einzug in andere Bereiche erhalten hat. Ich verfolge die Wikipedia-Debatte schon seit einiger Zeit, meist kopfschüttelnd. Die Diskussion um die Löschung des Eintrags des Vereins MOgIS, war nur der Anstoss, der gezeigt hat, dass Wikipedia.de ein Problem hat. Ein Problem, das zum einen aus verkrusteten Strukturen besteht, bei denen Neulinge kaum eine Chance bekommen, sich einzubringen, um Vereinsmeierei, und nicht zuletzt um eine technische Infrastruktur, die dringend einer Überarbeitung bedarf.

Viel Raum also, für eine Community, an Dingen zu arbeiten.  Was aber passiert, kann man eigentlich nur als seitenübergreifenden Flamewar betrachten: in der Löschdiskussion um FeFes Blog werden wilde Vermutungen angestellt:

“fefe” hat diesen Eintrag wohl selbst verbrochen. Stelle SLA. Warum Felix von Leitner ein Netzaktivist sein soll ist fraglich, allerdings liegt das Problem im folgenden: Zuerst fängt “fefe” an, “Löschwut” und “Zensur” herumzuschreien. Dann stellt jemand einen Artikel über seinen Blog ein, whl in der Hoffnung, uns genug eingeschüchtert zu haben und sich anschließend mit einem Artikel schmücken zu konnen. –Liberaler Humanist 17:02, 21. Okt. 2009 (CEST)

Besonders drastisch wird der Nutzer SoPu1ee7:

Löschen! Es kann doch nicht angehen, dass so ein Hanswurst eine Schmutzkampagne über Wikipedia startet und dann noch hier mit Propagana belohnt wird. Weg damit, egal was sich hier an angeblicher Relevanz aus den Fingern gesaugt wird.– SoPu1337 17:49, 21. Okt. 2009 (CEST)

FeFe revanchiert sich umgehend, in dem er die Wikipedia-Admins als “Blockwarte” beschimpft:

Wenn das wie ein Automat wirkt, werden die Leute eher Dinge probieren. Aus einem Getränkeautomat werden Leute eher eine Dose zu klauen versuchen als aus einem Oma-und-Opa-Laden. Und je mehr die Blockwarte dann Kontrolle auszuüben versuchen, desto mehr reizen sie Vandalen zum Weitermachen. Wobei mein Wortsinn von Vandale hier ein anderer ist. Ein Vandale ist jemand, der den Inhalt eines Artikels wegmacht und durch “Die Merkel ist doof” ersetzt.

Die Benutzung von Begriffen aus der Nazizeit ist immer ein guter Aufhänger, um eine Diskussion zu beenden (vgl. Goodwins-Gesetz). Natürlich hat FeFe hier nicht bewusst einen Nazivergleich angestrebt, er rechtfertigt seine Verwendung des Ausdrucks, unter anderem unter Berufung auf die Definition der Wikipedia selbst:

Weitere Wortbedeutungen für „Blockwart“ [Bearbeiten]

Blockwart gilt heute als Synonym für einen Spitzel und Denunzianten in der Nachbarschaft. Gelegentlich – namentlich im Gebiet der ehemaligen DDR – wird mit ähnlicher Bedeutung auch das Wort Abschnittsbevollmächtigter verwendet. Dies war die amtliche Bezeichnung für den vor Ort zuständigen Volkspolizisten.

In deutschsprachigen Webforen (dort auch Brettwart genannt) und Newsgroups ist Blockwart ein Schimpfwort für Teilnehmer, die sich bemühen, andere wegen vermuteten Verstoßes gegen Forumsregeln durch den zuständigen Administrator sperren zu lassen (Blockwartmentalität).

Es ist ziemlich offensichtlich, das FeFe das Wort im Kontext des letzten Absatzes verwendet hat. Dennoch hätte ihm klar sein sollen, das die solcherart  Geschmähten die böswilligste Interpretation des Begriffes heraussuchen, und ihm unterstellen würden (dies liegt in der Natur von Flamewars). In der Folge reagierten  einige Wikipedia-Admins mit einer Flut von Löschanträgen zu CCC-nahen Artikeln, die man selbst mit gutem Willen nur als infantil bezeichnen kann, und die auch in der Wikipediagemeinde selbst eine -teils hitzige- Diskussion ausgelöst hat. Leider ist Wikipedia es nicht gelungen, diese Kontroverse so nach aussen zu kommunizieren, dass der Eindruck verschwand , die Mehrheit der Wikipedia-Admins stünde hinter diesen Aktionen.

Das es auch anders geht, zeigt Kris Köhntopp in seiner hervoragenden Analyse der Wikipedia-Situation in Deutschland, und macht gleich konstruktive Vorschläge, wie man die Situation verbessern kann.

Da die Wikipedia sich in der Vergangenheit für viele Nutzer als hervoragendes Nachschlagewerk, und erstklassiger Einstiegspunkt für weitergehende Recherchen bewährt hat, ist die Art wie die Diskussion geführt wird, mehr als nur ärgerlich. Wir brauchen unbedingt eine zivilisierte Diskussionskultur, nicht nur innerhalb der Wikipedia-Community, sondern auch in der restlichen Netzgemeinde. Diejeigen, die sich lieber mit Nazivergleichen beharken wollen, sollen einen Thread auf der Trollwiese bei Heise aufmachen.

PreLex – Was machen die in Brüssel?

Die Entscheidungsprozesse innerhalb der EU gelten als intransparent, und oft auch als undemokratisch. Hinter verschlossenen Türen, so die gängige Meinung, verhandeln Kommision, Rat und Ausschüsse. Was da eigentlich vor sich geht, bis eine Richtline oder eine Verordnung steht, so scheint es, bleibt der Öffentlichkeit verborgen.

Die Presse bestätigt diesen Eindruck, indem meist nur über Ergebnisse, weniger über die Entscheidungsprozesse berichtet wird. Die nationalen Regierungen nutzen diese Intransparenz zudem gerne um sagen zu können “Wir haben doch auch nicht gewusst, dass diese Richtline jetzt so kommt”.

Dabei veröffentlicht die EU weitaus mehr Informationen über Ihre Tätigkeiten, als die meisten Bürger wissen.  Dem Internet kommt hierbei eine besondere Rolle zu, denn die EU betreibt mehrere Portale, über die jeder interessierte Bürger Einblick in die EU- Abläufe nehmen kann. Eines dieser Portale ist die Datenbank PreLex der europäischen Kommission. Diese Datenbank dokumeniert alle interinstitutionellen Verfahren innerhalb der EU, an denen die Kommision beteiligt ist (Vorschläge, Empfehlungen, Mitteilungen), und stellt sie in ihrem  zeitlichen Ablauf dar. PreLex enthält alle Dokumente seit 1976 in digitaler Form, der Zugriff ist kostenfrei möglich. Die meisten aktuellen Dokumente stehen dabei derzeit  in 23 Sprachen zur Verfügung.

Um eine Abfrage zu machen, braucht der Nutzer nur auf die einfache Suche zu klicken, und ein Stichwort anzugeben. Als Beispiel soll hier eine Meldung dienen, die dieser Tage durch die Zeitungen geht: Kanada bereitet derzeit eine Klage bei der Weldhandelsorganisation (WTO) vor, die sich gegen eine EU-Verordnung richtet, die den Import kanadischer Robbenerzeugnisse verbietet. Wenn man sich nun über die Verordnung informieren möchte gibt man in der Suche einfach “Robbenerzeugnisse” ein, und findet Vorgang COM (2008) 469. Die Seite zeigt eine Zeitleiste, die den genauen Ablauf des Vorgangs, vom Vorschlag durch die Kommission bis zur Annahme durch Rat und Parlament.

Zu jedem Vorgang sind die Dokumente, bzw. die Einträge auf den jeweiligen Seiten der Institutionen (Parlament und Rat) verlinkt. So gelangt man durch Klick auf eines der Dokumente in der Sektion “Stellungnahme EP 1. Lesung” direkt auf die Seiten des europäischen Parlaments, auf denen die Protokolle der Redebeiträge, sowie die Änderungsanträge und Abstimmungsergebnisse einsehbar sind.

Viele der Dokumente liegen allerdings im PDF-Format vor, und werden bei der Suche nicht mit durchsucht, so dass eine echte Volltextsuche nicht möglich ist. Ausserdem sind die Dokumente nicht verschlagwortet, sodass man schon wissen muss, wonach man sucht. So liefert die Suche nach “Stockholm Programm” keine Ergebnisse, obwohl sich dieser Begriff für die Beschlüsse der EU- Justiz- und Innenministerkonferenz im Juli 2009, in den Medien etabliert hat. Wer also etwas über die Bemüungen der EU zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern wissen will, darf nicht nach “Gleichberechtigung” suchen, denn die EU verwendet auschliesslich den Begriff “Gleichstellung” (was formal auch richtig ist, denn die jursitische Gleichberechtigung der Geschlechter ist in den EU-Staaten umgesetzt, die Maßnahmen zielen ja darauf, dieses auch im realen Leben zu erreichen). Besonders im Hinblick auf die berüchtigte bürolratische Sprache in der EU, macht es dem nicht politikerfahrenen Bürger die Suche nach interessanten Dokumenten schwer.

Den Nachteilen zum Trotz ist PreLex eine interessante Anlaufstelle für alle die sich aus erster Hand über die Beschlussverfahren innerhalb der EU zu einem Thema informieren wollen.