Nach dem ich ja neulich bereits ausführlich über meine Erfahrungen mit der Zeit berichtet habe, und Bella von Brainweich.de den großen Online Zeitungstest angefangen hat, will ich heute mal die nächste Runde eröffnen. Heute im Test: Die Süddeutsche Zeitung.
Ein paar Dinge fallen erstmal Positiv auf, nachdem man auf der Homepage auf den Reiter E-Paper geklickt hat. Erstmal gibt es eine Demoversion der Online-Ausgabe, hier kann man sich eine ältere Ausgabe der Zeitung ansehen, und zwar so, wie sie dem Leser auch im Abo präsentiert wird. Damit muss man schon mal nicht die Katze im Sack kaufen, man kann direkt am Bildschirm ausprobieren, wie das Handling des Online-Druckwerks sich anfühlt. Letzteres nimmt sich allerdings bescheiden aus: Ein Facsimile der Originalzeitungsseite präsentiert sich als Thumbnail, umgeben von einigen mageren Java-Script-Bedienelementen. Das ist nicht nur nicht schön, sondern leider auch etwas sperrig zu bedienen. Die Seite skaliert gar nicht, was bei kleinen Bildschirmen dazu führt, dass der Anwender viel scrollen muss, um einzelne Artikel zu sehen, auf großen Bildschirmen ist dagegen die Schrift so klein, dass man die Schlagzeilen über den Artikeln kaum mehr lesen kann.
Klickt man einen Artikel in der Übersicht an, öffnet sich ein Fenster, in dem der Artikel angezeigt wird.
Das Inhaltsverzeichnis zur Linken springt dagegen nicht einzelne Artikel an, sondern ledigich die Rubriken, in die die Zeitung aufgeteilt ist.
Die Bedienelemente an der Seite jeder Zeitung erlauben das Betrachten der Seite in Orginalgröße, den Download derselben als PDF-Datei, und das umschalten zwischen der Betrachtung einer Einzelseite und einer Doppelseite. Der Einzelseitenmodus führt dabei jedoch nicht automatisch zu einer Vergrößerung der Darstellung -hier muss der Anwender das Werkzeig Groß auswählen, dass im Doppelseitenmodus nicht zur Verfügung steht.
Warum das zusätzliche Werkzeug Lupe nur im Einzelseitenmodus zur Verfügung steht, ist ebenfalls nicht ersichtlich.
Abonennten des E-Paper können sich im Abo-Bereich der Zeitung allerdings auch die vollständige Ausgabe als PDF herunterladen. Dabei werden, wie schon von der Zeit bekannt, die Zeitungsseiten als Facsimiles im PDF-Format dargestellt.
Eine interessante Variante stellt die sog. Textversion dar. Hierbei kann man die Zeitung Online in einem mobilgerätefreundlichen Format lesen; bereinigt um alle Bilder, so dass der Download der einzelnen Seiten nur wenige Kilobyte groß ist.
Ein weiterer schöner Service ist, dass man bei der Süddeutschen ältere Ausgaben der Zeitung als PDF erwerben kann, ohne ein Abo zu haben. Die PDF-Dateien werden mittels Click-and-buy einzeln bezahlt.
iPhone-Besitzer können bei der Süddeutschen sogar auf eine iPhone-App zurückgreifen. Wer sich die erstmal ansehen will, lädt sich die kostenlose Version herunter, diese bietet die Inhalte der Webseite, vermischt mit etwas Werbung.
Beim Start der Applikation muss man 10 Sekunden warten, uns eine Werbung für die Bezahlausgabe ansehen, danach hat man Zugriff auf alle Inhalte, die auch auf der Webseite zu sehen sind. Im wesentlichen scheint es sich bei der App um einen Wrapper für den Safari-Browser zu handeln, denn die Bedienung unterscheidet sich nicht sehr von der der Webseite. Allerdings sind hier die Schriftarten so gewählt, dass sie auf dem iPhone gut lesbar sind, und die Bilder angenehm herunterskaliert, so dass das Laden sehr schnell geht.
Alles in allem kann man die Zeitung so auf dem Display des iPhone gut lesen. Die Startseite präsentiert die wichtigsten Schlagzeilen, und am oberen Rand ein Menü, aus dem man die Ressorts (Politik, Wirtschaft, Geld, Kultur etc) auswählen kann. Jedes Ressort ist durch eine Farbe gekennzeichnet, was die Orientierung innerhalb der Menüs erleichtert.
Wer mit seinem iPhone vertraut ist, wird wenig Probleme haben sich zurecht zu finden. Allerdings bietet die App wenig mehr als die Webseite selbst; zumal alle Inhalte direkt von der Webseite gezogen werden. Einer eigenen App hätte es dafür nicht gebraucht, die mobilen Versionen z.B. der Tagesschau zeigen, dass sowas auch mit gutem CSS-Skripting geht. Auch Apples WebApps bieten diese Lösung, ohne über den Umweg des AppStore zu gehen. Offenbar ist das bei der Süddeutschen auch bekannt, denn -abgesehen von dem Apple-typischen Look-and -Feel, unterscheidet sich die mobile Version der Webseite, die Smartphone benutzer automatisch zu sehen bekommen, kaum vom Erscheinungsbild der App.
Die Gold-Version der App, kostet für 30 Tage nur 1,59€, und beinhaltet keinerlei Abo-Verpflichtung. Gegen den Preis ist eigentlich nichts einzuwenden, allerdings bekommt man auch wenig Mehrwert: Die App kündigt einen Offline Modus an, in dem die Artikel heruntergeladen und gespeichert werden können, einen konfigurierbaren Dienst für Push-Benachrichtigungen, durch den man sich über Beiträge zu seinen Interessenfeldern benachrichtigen lassen kann, und individuell einstellbarer Schriftgröße. Einen Zugriff auf Premium-Inhalte, sowie
grundlegende Funktionen, wie das anlegen von Lesezeichen, dass im Browser kein Problem darstellt, sucht man in der App indes vergebens.
Alles in allem ist die Idee der App ein schöner Ansatz um die wachsende Gemeinde von iPhone- und Smartphonebenutzern anzulocken, allein es mangelt an der Umsetzung. Selbst der günstige Preis von 1,59€ rechnet sich nicht, wenn man auf der Mobilversion der Webpräsenz dieselben Inhalte präsentiert bekommt, und dabei sogar auf Funktionen wie Lesezeichen zurückgreifen kann.
Die skalierbare Schriftgröße dürfte für die wenigsten User entscheidend sein, weil die Defaultdarstellung bereits gut lesbar ist, die Inhalte der Webseite zu speichern macht nur in ausnahmefällen Sinn, haben deutsche iPhone-Besitzer doch in der Regel ohnehin einen großzügigen Volumenvertrag, ohne den man das iPhone ja gar nicht kaufen kann, und ob man für die Push-Benachrichtigungen Geld ausgeben will bleibt jedem selbst überlassen.
Fazit: Sowohl bei der ePaper-Ausgabe als auch bei der iPhone-App sollte die Süddeutsche mehr Mut beweisen. Mit einer App, die nur Zugriff auf Inhalte bietet, die der Nutzer ohnehin auf der Webseite lesen kann, und die dabei noch weniger komfortabel ist als der Webbrowser wird man kaum zahlende Leser anlocken können, das wird auch als Testballon, ob die Leser so ein Angebot annähmen nicht funktionieren. Dabei bietet besonders die App viele Chancen, auch für Payed-Content. Ich könnte mir zum Beispiel ein Micropaymentmodell vorstellen, bei dem ich nur für die Artikel bezahle, die ich wirklich herunterlade. Überschreite ich dabei ein bestimmtes Volumen, wird automatisch die komplette Ausgabe gekauft (einige Mobilfunkanbieter bieten solche Tarife für’s telefonieren an, wieso nicht auch bei Zeitungen). Apples iPhone OS bietet diese Möglichkeiten an. Dann sollte die App eine bequeme Lesezeichenfunktion bieten, und z.B. auch einen Zugriff aufs Archiv. Zudem könnte man der App einen Zugriff auf die Kommentarfunktion der Webseite spendieren, so dass auch Online-Leser sehen können, was andere Leser so zu den Themen sagen. Zudem wäre ein Feature interessant, bei dem man seine besonderen Interessengebiete angibt, und so eine individualisierte Startseite bekommt.
Leider ist die App von diesen Vorschlägen noch meilenweit entfernt, und so fürchte ich, wird das Projekt am Ende unter den üblichen Wehklagen eingestellt, die User würden ja nichts bezahlen wollen.