Wahlcomputer waren das Thema einer öffentlichen Anhörung der Bremer Bürgerschaftsfraktion der SPD am 12.08.2009. Die üblichen Pro- und  Kontra-Positionen tauschten Christopher Harth, der in seiner  Examensarbeit die Diskussion um Wahlgeräte untersuchte, Constanze Kurz die sich als Informatikern wissenschaftlich mit Wahlcomputern  auseinandersetzt und als Sprecherin des CCC bekannt ist sowie der  Wahlbereichsleiter Karl Schlichting vom Statistischen Landesamt Bremen aus. Rainer Hamann, MdBB (SPD), moderierte die Veranstaltung.
Christopher Harth fasste die Argumente für Wahlcomputer wie folgt zusammen:
-  Eine technische Modernisierung der Wahl soll der Wahlverdrossenheit  entgegenwirken.
-  Wahlcomputer sollen Wahlhelfer – immer weniger Menschen nehmen dieses  Ehrenamt wahr – ersetzen.
-  Wahlcomputer sollen die Kosten von Wahlen senken.
-  Für Politikerinnen und Politiker soll das Zittern bis zum endgültigen  Wahlergebnis verkürzt werden.
Welche Gruppen kritisch, neutral oder positiv gegenüber Wahlcomputern  aufgeschlossen sind, versuchte Christopher Harth zu kategorisieren und  vergaß dabei die wissenschaftliche Community, die wie Constanze Kurz  bemerkte, im In- und Ausland ablehnend dieser Technik gegenübersteht.  Überzeugen konnte er somit nicht mit seiner These, dass der Wunsch  vieler, Wahlcomputer einzusetzen, besteht und berücksichtigt werden  sollte. Immerhin brachte er nicht mehr sich solche Pointen wie 2008 im  Interview mit politik-digital.de:
“Charakteristisch ist ja, woher diese negativen Artikel [bzgl.  Wahlcomputer] kommen: oft von heise.de oder aus dem Umkreis des CCC.
Auf der Internetseite des Herstellers wahlsysteme.de – was man natürlich  auch kritisch sehen muss, dort stehen dann nur die positiven Berichte –  finden sich, u.a. über die Testwahl in Langen, auch einige neutralere  Artikel.”
Da er Herstellerangaben mehr traut als den Erkenntnissen von  unabhängigen Vereinen, Fachpresse und Wissenschaft, überraschte er wenig mit seiner Forderung, dass die Bundeswahlgeräteverordnung dem Urteil des  Bundesverfassungsgerichts angepasst werden muss, damit Wahlcomputer  schleunigst wieder eingesetzt werden können.
Nach dem Auftakt von Christopher Harth holte Constanze Kurz zu einem Plädoyer für die transparente Stimmzettel-Wahl aus: Als bekennende Ossi  erzählte sie von ihren prägenden Erlebnissen der ersten Bundestagswahl  im Osten bei der das halbe Dorf die Stimmen auszählte und selbst Kinder nachzählen durften (und konnten). Aber dieses elementare Recht auf Wahlbeobachtung entfällt  durch Wahlcomputer. Grund ist, dass selbst Experten nicht  mehr Wahlcomputer kontrollieren können, wie selbst die OSCE in den  Niederlanden bemängelte (S.12, pdf):
“In the context of introducing new voting technologies, the issues of  transparency and observability remain a priority. The Nedap and SDU  machines are based on proprietary firmware, and voters, election officials and observers  cannot examine their operation. There is no possibility for a meaningful  recount. Although the firmware in the Nedap machines is inspected by  Brightsight, it is not possible to check that the firmware in any  particular machine is the authorized firmware. Whilst some  municipalities do perform a degree of pre-election testing, such tests  are not mandatory, and there is no parallel testing.”
Die fehlende Transparenz, das Black-Box-Problem, und nicht die Manipulierbarkeit ist das  eigentlich Problem bei Wahlcomputern, so Kurz. Unverständnis äußerte  sie darüber, dass man die lang erprobte und für jedermann  kontrollierbare Stimmzettel-Wahl, die lediglich mit ungefähr 2 Euro pro Wähler  zu buche schlägt, erwäge aufzugeben. Schließlich ist es für Politiker  ungemein wichtig, dass es keine Zweifel an ihrer Legitimität gibt. Der  moderierende Abgeordnete Hamann stimmte ihr zu, da er lieber das an  seine Nerven zehrende Warten auf die Endergebnisse ertrage, als  eventuelle vierjährige Zweifel an seiner Wahl. Darüber hinaus betonte  Kurz, dass die westlichen Demokratien mit intransparenten Wahlen ihre  Vorbildfunktion gegenüber weniger demokratischen Ländern verlieren.
Skeptisch zeigte sich der Wahlbereichsleiter Karl Schlichtig gegenüber  Nedap und ähnlichen Wahlcomputern. Neben der Transparenz  zweifelte er den Kostenvorteil, die Effizienz und die Auswirkungen auf  die Wahlbeteiligung von Wahlcomputern an: Es ist nicht ökonomisch teure  Computer unter strengen Sicherheitsvorkehrungen zu lagern, die nur alle  ein bis zwei Jahre eintägig eingesetzt werden. Ob Wahlberechtigte  zügiger mit Wahlcomputer zurechtkommen als mit bewährten  Stimmzetteln ist fraglich. Insbesondere sind an Wahltagen die  Stoßzeiten problematisch, die man zukünftig mit sechs statt drei  Wahlkabinen pro Wahllokal in Bremen bewältigen will. Eine entsprechende  Anzahl an Wahlcomputern würde wiederum die Kosten erheblich in die Höhe  treiben. Insbesondere eine Auswirkung auf die Wahlbeteiligung ist nicht  nachvollziehbar. Schließlich will sich der Wähler von dem Wahltag und  dem Urnengang lösen. Der Briefwahlanteil bei der letzten Europawahl  betrug 30%. Das spricht nicht für Wahlcomputer sondern für eine  Internetwahl.
Eine Internetwahl kommt für Schlichting aber nicht in Frage, da er die  Digitale Signatur, die sich nicht durchgesetzt hat, hierzu für notwendig  hält. Zukünftig aber Chancen durch die Einführung des Elektronischen Personalausweises sieht. Constanze Kurz erklärte knapp die Unmöglichkeit sichere  Wahlen mit virenverseuchten Client-Rechnern durchzuführen.
Aufgeschlossen zeigte sich Schlichting auch gegenüber Wahlstiften. Grund  ist einerseits das Drängeln seitens der Politik auf schnelle  Endergebnisse, anderseits die Möglichkeit Wahlhelfer einzusparen. Das  Wahlhelferproblem ist allenorts immens. In Bremen schafft man mit Mühen  fehlende Wahlhelfer durch den Einsatz von Beamten auszugleichen.  Versuche ehrenamtliche Wahlhelfer durch Erhöhung der Vergütung zu  motivieren, schlugen laut Schlichting fehl, da sich viele mit der  Vergütung zur Mittagszeit verdrückten. Aus diesem Grund setzt man  andernorts bereits ausschließlich Beamte als Wahlhelfer ein.
Schlichting sieht zwar die Risiken bei Wahlstiften sowie die dadurch  eventuell notwendigen Nachzählungen der Stimmzettel, die das  Wahlhelferproblem nur bedingt mildern, betonte aber auch die Risiken der Stimmzettel-Wahl. Die Briefwahl ist z.B. problematisch, da der Postweg riskant  ist. Auch kommen viele Wahlzettel erst nach dem Stichtag bei ihm an.
Eine Einführung von Wahlstiften zur nächsten Bremischen  Bürgerschaftswahl in zwei Jahren hält Schlichting für unwahrscheinlich,  da derartige Systeme langwierig getestet werden müssen. Grinsend  bedauerte er, dass Hamburg nicht den kostenintensiven Beta-Test  für Bremen gemacht hat. Dass es in Bremen keine konkreten Planungen  gibt, zeigte sich auch an der Unkenntnis Schlichtings von der Notwendigkeit bei jeder Wahl neue  Laptops für das Wahlstiftsystem aus Gründen der Manipulationsgefahr einzusetzen, was die Kosten-Nutzen Rechnung erheblich  verändert. Allerdings hält Schlichting einen Einsatz von Wahlstiften für  die übernächste Bürgerschaftswahl in sechs Jahren für realistisch. In  den nächsten Jahren steht also eine politische Entscheidung bzgl.  Wahlstifte in Bremen an und die Wahlcomputer-Alarmstufe ist für das  kleinste Bundesland von grün auf gelb hoch gesetzt:
Achtung! Wahlcomputergefahr!
Vorerst die beste Art sich gegen Wahlcomputer zu engagieren: Werdet  Wahlhelfer bei der nächsten Bundestagswahl und überredet auch eure  Verwandten, Bekannten und Freunde sich auf diesen Weg für unsere  Demokratie einzusetzen: Berlin, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen (Teils werden Wahlhelfer über die Kommunen gesucht. Weitere Links bitte in den Kommentaren)