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Internetuser haben nichts zu sagen

Mittwoch, 3. Juni 2009

Jedenfalls nichts relevantes. Zumindest nicht, wenn es nach der Zeit geht. Stellte Heinich Wefing in seinem Beitrag “Wider die Ideologen des Internet” das Netz noch als einen anarchistischen Raum da, in dem Recht und Gesetz keine Geltung hätten, und seine Nutzer als eine Art digitale Outlaws, die als moderne Desperados durch die Digitale Welt ziehen, und mit einem Grinsen im Gesicht ein Verbrechen nach dem anderen begehen, sind es heute die Twitter-User. “Schluß mit dem Geschnatter“, fordert Jens Uehlecke in seinem Kommentar. Twitter ist für ihn die “Klowand des Internet”, an der jeder sein Sprüchlein hinterlässt. Das andere User diese dann lesen können

ist dann so, als würde man sich auf dem Büroklo immer wieder in die gleiche Kabine setzen, um nachzuschauen, ob neue Kommentare an der Wand stehen.

Es ist nun wahr, daß auf Twitter viel Belangloses getweetet wird, ein Tweet “geh’ jetzt kacken”, wird wohl nicht einmal die Freunde des Tweeters ernsthaft interessieren. Andererseits ist Twitter ein sehr junges Medium, in dem die Anwender noch am ertasten sind, was man damit eigentlich alles machen kann. Ähnlich wie in den 90ern, als jeder zweite User eine “Hallo, ich bin auch im Internet” Seite hatte, muß sich das neue Medium erst finden.

Daß Twitter zur Kommunikation von Netzwerken gut geeignet ist, erkennt man, wenn man mal nach #zensursula sucht; ein Teil der Anti-Zensurbewegung koordiniert so recht effektiv seine Aktionen. Andere politische Gruppen verfahren ebenso. Amnesty International mobilisiert so seine Anhänger für wichtige Urgent Actions, und erreicht viel mehr Leute, als über die Webseite allein.

Uehlecke tut Twitter und seinen Nutzern also unrecht, wenn er den Dienst unter dem Nievaeu von Nachmittagstalkshows ansiedelt, und die Nutzer als diejenigen characteriesiert, die selbst für Britt und Bärbel Schäfer noch zu blöd sind:

An der konzertierten Banalität erkennt man schnell, dass einen gewaltigen Vogel haben muss, wer da noch mitsingt. Warum das Ganze trotzdem so populär ist, ist schnell erklärt: Erstens haben Menschen einen nahezu unerschöpflichen Geltungsdrang. Und zweitens gibt es wie für Klowände keine Qualitätskontrolle, keine Mindeststandards. Jeder darf sich äußern, wann und so oft er will. Selbst jene, die nicht einmal mehr von all den Bärbels und Britts in Trash-Talkshows eingeladen würden.

Hier ist stellt sich die Frage, ob es nicht vielleicht Uehlecke ist, der etwas nicht verstanden hat, wenn er eine “Qualitätskontrolle” für Twitter fordert: Das Internet funktioniert anders, als althergebrachte Medien, etwas das Uehlecke scheinbar nicht verstanden hat. Eine Zeitung hat vergleichsweise hohe Kosten, und begrenzten Platz. Deshalb bemisst sich ihre Qualität daran, wie gut sie die für ihr Publikum interessanten Nachrichten aus dem unendlichen Strom von Nachrichten herausfinden kann, und wie gut sie diese Information aufbereitet. Im Netz ist das anders: Durch seinen partizipativen Charakter kann jeder Nutzer alles veröffentlichen was er selber für wichtig hält. Da Speicherplatz billig ist, und nahezu unbegrenzt zur Verfügung steht, kann sich das Internet erlauben, alle Nachrichten gleich zu behandeln, das ist im weitesten Sinne Netzneutralität. Dienste wie Twitter überlassen es dem Nutzer das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen.  Die Qualität eines Dienstes bemisst sich im Internet daher vor allem daran, wie gut der Nutzer die ihn interessierenden Inhalte findet, und nicht so sehr daran, wie hoch der Prozentsatz der journalistisch hochwertigen Beiträge ist.