Mit ‘Politik’ getaggte Artikel

PreLex – Was machen die in Brüssel?

Die Entscheidungsprozesse innerhalb der EU gelten als intransparent, und oft auch als undemokratisch. Hinter verschlossenen Türen, so die gängige Meinung, verhandeln Kommision, Rat und Ausschüsse. Was da eigentlich vor sich geht, bis eine Richtline oder eine Verordnung steht, so scheint es, bleibt der Öffentlichkeit verborgen.

Die Presse bestätigt diesen Eindruck, indem meist nur über Ergebnisse, weniger über die Entscheidungsprozesse berichtet wird. Die nationalen Regierungen nutzen diese Intransparenz zudem gerne um sagen zu können “Wir haben doch auch nicht gewusst, dass diese Richtline jetzt so kommt”.

Dabei veröffentlicht die EU weitaus mehr Informationen über Ihre Tätigkeiten, als die meisten Bürger wissen.  Dem Internet kommt hierbei eine besondere Rolle zu, denn die EU betreibt mehrere Portale, über die jeder interessierte Bürger Einblick in die EU- Abläufe nehmen kann. Eines dieser Portale ist die Datenbank PreLex der europäischen Kommission. Diese Datenbank dokumeniert alle interinstitutionellen Verfahren innerhalb der EU, an denen die Kommision beteiligt ist (Vorschläge, Empfehlungen, Mitteilungen), und stellt sie in ihrem  zeitlichen Ablauf dar. PreLex enthält alle Dokumente seit 1976 in digitaler Form, der Zugriff ist kostenfrei möglich. Die meisten aktuellen Dokumente stehen dabei derzeit  in 23 Sprachen zur Verfügung.

Um eine Abfrage zu machen, braucht der Nutzer nur auf die einfache Suche zu klicken, und ein Stichwort anzugeben. Als Beispiel soll hier eine Meldung dienen, die dieser Tage durch die Zeitungen geht: Kanada bereitet derzeit eine Klage bei der Weldhandelsorganisation (WTO) vor, die sich gegen eine EU-Verordnung richtet, die den Import kanadischer Robbenerzeugnisse verbietet. Wenn man sich nun über die Verordnung informieren möchte gibt man in der Suche einfach “Robbenerzeugnisse” ein, und findet Vorgang COM (2008) 469. Die Seite zeigt eine Zeitleiste, die den genauen Ablauf des Vorgangs, vom Vorschlag durch die Kommission bis zur Annahme durch Rat und Parlament.

Zu jedem Vorgang sind die Dokumente, bzw. die Einträge auf den jeweiligen Seiten der Institutionen (Parlament und Rat) verlinkt. So gelangt man durch Klick auf eines der Dokumente in der Sektion “Stellungnahme EP 1. Lesung” direkt auf die Seiten des europäischen Parlaments, auf denen die Protokolle der Redebeiträge, sowie die Änderungsanträge und Abstimmungsergebnisse einsehbar sind.

Viele der Dokumente liegen allerdings im PDF-Format vor, und werden bei der Suche nicht mit durchsucht, so dass eine echte Volltextsuche nicht möglich ist. Ausserdem sind die Dokumente nicht verschlagwortet, sodass man schon wissen muss, wonach man sucht. So liefert die Suche nach “Stockholm Programm” keine Ergebnisse, obwohl sich dieser Begriff für die Beschlüsse der EU- Justiz- und Innenministerkonferenz im Juli 2009, in den Medien etabliert hat. Wer also etwas über die Bemüungen der EU zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern wissen will, darf nicht nach “Gleichberechtigung” suchen, denn die EU verwendet auschliesslich den Begriff “Gleichstellung” (was formal auch richtig ist, denn die jursitische Gleichberechtigung der Geschlechter ist in den EU-Staaten umgesetzt, die Maßnahmen zielen ja darauf, dieses auch im realen Leben zu erreichen). Besonders im Hinblick auf die berüchtigte bürolratische Sprache in der EU, macht es dem nicht politikerfahrenen Bürger die Suche nach interessanten Dokumenten schwer.

Den Nachteilen zum Trotz ist PreLex eine interessante Anlaufstelle für alle die sich aus erster Hand über die Beschlussverfahren innerhalb der EU zu einem Thema informieren wollen.

Deep Packet Inspection: UMTS-Provider verändern Webinhalte

Gerade zurück aus dem Urlaub bin ich auf einen Artikel von Christoph Hochstätter gestolpert, der vor einigen Tagen bei ZDNet erschienen ist. Der Beitrag ist etwas länger, und etwas technischer.

Auch wenn der Beitrag nicht mehr ganz taufrisch ist (er ist schon vom 14.10), und auhc Netzpolitik.org schon darüber berichtet hatte, will ich das ganze noch mal versuchen kurz und für Laien verständlich zu beschreiben, weil der Orginalartikel sehr detailliert und ein bischen technisch ist.

Wer über seinen Internetanschluss eine Seite im Web aufruft, erwartet in der Regel, den Inhalt angezeigt zu bekommen, den der Server bereitstellt. Die Aufgabe des Internetzugangsproviders ist es dabei, die Anfrage weiterzuleiten, und den Inhalt zum Anwender durchzuleiten. Dies passiert unabhängig davon, ob ich über Modem, DSL, Kabelmodem oder eben UMTS ins Internet eingewählt bin. Soweit die Theorie. Leider sieht die Praxis etwas anders aus: Wer mit einem der großen Mobilfunkanbieter surft, bekommt unter umständen ganz andere Inhalte ausgeliefert, als der Server versendet. Christoph hat herausgefunden, dass zum Teil sogar ausführbarer JavaScript-Code in die Seite eingefügt wird; eine Technik derer sich sonst nur Programnierer von Schadsoftware bedienen.

Im wesentlichen speichern die Anbieter die aufgerufenen Seiten in einem Proxy-Server zwischen. Allerdings werden alle Bilder, die in eine Seite eingebunden werden auf dem Server des Anbieters zwischengespeichert, und dort in der Regel ersteinmal verkleinert. Diese Version mit geringerer Auflösung wird dann an den Kunden ausgeliefert. Damit das klappt, werden alle Links auf das Bild in der aufrufenden Webseite verändert.

Damit ändert sich zwar nicht unbedingt das Erscheinungsbild der Webseite, aber der Anwender erhält eben nicht, was der Server an Daten geschickt hat. Seltsamerweise werden auch PNG-Bilder verändert, obwohl PNG einen verlustfreien Algoritmus verwendet, eine Verschlechterung der Bildqualität also nicht die Dateigröße beeinflusst. Hinzu kommt, dass man z.B. keinen Link mehr auf ein Bild versenden kann, da der Empfänger ja nur den, für ihn unbrauchbare,n Link auf das kopierte Bild beim Mobilfunkprovider erhält.

Nun gibt es natürlich für diese Vorgehensweise auch ein paar Gründe, die dafür sprechen, namemtlich spart man Bandbreite, was sich in Funknetzen durch einen schnelleren Seitenaufbau bemerkbar macht. Allerdings wäre es sinnvoll, dem Kunden diese Option zu zuschalten anzubieten, anstatt heimlich, hinter seinem Rücken in den Datenstrom einzugreifen .

Noch schlimmer als die Bildkompression ist das einfügen von JavaScript Code in die Webseite, das Vodafone durchführt. Die Seite lädt so ein Script herunter, dass den “title” Text eines Bildes ändert. Der Text im “title”-Attribut eines Bildes in einer HTML-Seite wird bei den meisten Browsern als Tooltip angezeigt, wenn man über das Bild fährt. Normalerweise soll er kurz das Bild beschreiben, z.B. für Anwender, die mit einem textbasierten Browser arbeiten, oder für Anwender, die sehbehindert sind.

Hier verlässt Vodafone das “Bandbreiten-Spiel” und greift aktiv in die Gestaltung der Webseite ein. Eigenlich barrierefreie Webseiten können so für sehbehinderte Menschen komplett unbrauchbar werden.

Neben all den technischen Problemen bleibt das rechtliche und moralische: Der Internetzugangsprovider wird vom Kunden dafür bezahlt, dass er Inhalte unverändert für diesen durchs Netz transportiert. Der Nutzer darf erwarten, dass seine Datenpakete weder geöffnet noch verändert werden, ebenso wie er erwartet das die Post nicht seine Briefe öffnet und ggf. sogar den Inhalt eines Briefes verändert, ohne das der Empfänger das auch nur mitbekommt. Es handelt sich hierbei um einen massiven Eingriff in das Fernmeldegeheimnis, zu dem die Provider keinerlei Recht haben.

Hier besteht dringender Handlungsbedarf, evtl. sogar seitens des Gesetzgebers.

Mother, should I trust the gouvernment?

Nach langem hin und her ist gestern in Friedrichshafen das Pilotprojekt zur DeMail gestartet. Zeit sich einmal mit dem Für und Wider dieses Dienstes auseinanderzusetzen.

DeMail ist ein von der Bundesregierung geplanter Internetdienst, der die vertrauliche elektronische Kommunikation zwischen Bürgern, und Bürgern und Behörden zum Ziel hat.  DeMail ist die Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtline, die unter anderem die elektronische Verfahrensabwicklung, speziell auch, aber nicht nur, zwischen Unternehmen, Bürgern und staatlichen Einrichtungen regelt.

Das DeMail Projekt stellt dabei eine Reihe von Diensten zur Verfügung, die alle auf bereits bekannten Technologien aufbauen. Kern ist ein E-MAil-Netzwerk, dass eine eindeutige und fälschungssichere Kommunikation per E-Mail sicherstellt. Dabei bekommt jeder Bürger eine eindeutige E-Mailadresse, die ihn identifiziert. Ein Konto einrichten kann nur, wer sich zuvor identifizieren kann, z.B. mit einem Pass oder Personalausweis.

Alle Mails werden digital signiert, und da der Staat als Trustcenter fungiert, kann das Vertrauen in die Echtheit der Unterschriften recht hoch gewertet werden. Die Datenübertragung erfolgt über eine verschlüsselte Verbindung, zumindest solange sich die Nachricht im Netz von DeMail befindet.

Eine Ende-zu-Ende Verschlüsselung ist nicht vorgesehen, kann vom Anwender aber genutzt werden.

Zunächst einmal ist das System eine gute Idee. Heute verwendet nur ein verschwindend geringer Teil der E-Mail Nutzer Kryptographie. Mit DeMail würden die Nutzer zur Verwendung von sicheren Techniken gezwungen, und würden das vermutlich nicht einmal merken. Allerdings ergeben sich genau aus diesem Umstand einige Fragen, die sich jeder DeMail Nutzer stellen muss:

  • Die gesamte Sicherheitsinfrastruktur wird von einer staatlichen Behörde kontrolliert, die in der Vergangenheit vor allem mit seinem Hunger nach persönlichen Daten der Bürger aufgefallen ist.
  • Die technische Umsetzung liegt in den Händen von T-Systems, einem Unternehmen, dass auch nicht gerade für seinen Vertrauensvollen Umgang mit Daten bekannt ist.
  • Der Zugriff der Ermittlungsbehörden im Falle einer Telekommunikationsüberwachung ist explizit Bestandteil der Spezifikation.
  • Anonyme Kommunikation über DeMail ist nicht möglich, jeder Nutzeraccount ist eindeutig einer Person zugeordnet. Für viele Bereiche des Internet ist gerade die Pseudo- oder Anonymität gewünscht, oder gar empfehlenswert.  Ein Identitätsmanagement ist bei DeMail aber nicht vorgesehen.
  • Der Staat kann im Zweifelsfall einen Großteil der geschäftlichen Bewegungen seiner Bürger beobachten. Online-Shops, Banken, Versicherungen, Online-Games oder Dating Plattformen – wer hier mitliest, erhält einen umfassenden Einblick in das Verhalten und die Lebensgewohnheiten der Bürger.
  • Unternehmen wie Google, werden sich freuen, wird die Zuordnung von Daten zur Person Dank DeMail noch einfacher.

Im Endeffekt muss sich jeder überlegen, ob er DeMail nutzen will. Sollte es dem Staat aber gelingen, nur noch über DeMail ansprechbar zu sein, wird man kaum noch um die Nutzung herum kommen.

Paranoide Geister mögen vielleicht sogar mutmaßen, das die Einführung dieses Mailsystems der Anfang eines Versuchs ist, alle anderen Mailsysteme, vor allem natürlich solche mit Verschlüsselung, zu verbieten.

NET NEUTRALITY EMERGENCY

All phone numbers and e-mail addresses: http://www.laquadrature.net… more info: http://www.laquadrature.net… What is net neutrality?

Update: Keine Netzneutralität in weiteren Verhandlungen

Innenministerium will Trennung zwischen Geheimdiensten und Polizei aufweichen

Ein “Wunschzettel” der Referate des Innenministerium ist aufgetaucht, der über das Wahlprogramm der CDU hinausgehend  einen Ausbau des Verfassungsschutz zu einer allgemeinen Sicherheitsbehörde fordert. Die als Reaktion auf nationalsozialistische Herrschaftsinstrumente wie Gestapo und Reichssicherheitshauptamt etablierte strikte Trennung von Geheimdienst und Polizei würde damit weiter aufgeweicht. Das Papier vom 22. September trägt den Titel “Vorbereitung Koalitionspapier” und liegt der “Süddeutschen Zeitung” vor. Es sieht für den Verfassungsschutz folgende neue Kompetenzen vor:

Außerdem sieht das Papier für alle Sicherheitsbehörden neue Methoden vor:

  • Einführung des genetischen Fingerabdruck als “erkennungsdienstliche Standardmaßnahme” (also auch bei Ladendiebstahl)
  • Straffreiheit für verdeckte Ermittler bei der Begehung von Straftaten die zum “szenetypischem Verhalten” gehören.

Auch wenn Schäubles Büroleiter, Bruno Kahl, erklärt, dass das Papier der Leitungsebene des Hauses nicht vorlag und es postwendend zu einem “Ministeriums-Internum” umbenennt, dürfte es dem Innenminister gefallen: “Die Wirklichkeit halte sich nicht an diese klare Trennung. Und der demokratische Rechtsstaat dürfe sich dem Wettkampf mit den Gefährdern nicht verweigern. Bessere Vernetzung von Behörden und Informationen sei eine Notwendigkeit”, so Schäuble bereits 2007 auf einer Tagung des Auslandgeheimdienstes BND.

Update: Wolfgang Bosbach schließt die Umsetzung der Vorschläge nach der Bundestagswahl kategorisch aus.

„Neue Befugnisse wie Online-Durchsuchungen, Späh- oder Lauschangriffe für den Verfassungsschutz werden nach der Bundestagswahl keine Rolle spielen.“

,sagte der CDU-Politiker der Neuen Osnabrücker Zeitung.

„Die Diskussion um erweiterte Rechte für den Verfassungsschutz ist eine Phantom-Debatte.“#

So Bosbach weiter. Neben der Tatsache, dass man hellhörig werden sollte, wenn ein CDU-Politiker das Wort “Phantomdebatte” in den Mund nimmt, ist seine Begründung interessant: Laut der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte Bosbach nämlich, mit einer Koalition aus FDP oder SPD seien die Pläne nicht umsetzbar. Mit anderen Worten: Die CDU distanziert sich nicht von den Vorschlägen, sondern bedauert lediglich, keinen Koalitionspartner zu finden, um die feuchten Träume des Innenministeriums wahr werden zu lassen.

Die Verantwortungslosigkeit der Piraten beim Umgang mit ihrer Rechts-Debatte

Tut sich etwas bei der Positionierung der Piraten? Eine Interview Anfrage von A. F. Lichtschlag, Chefredakteur des Magazins “eigentümlich frei”, wurde vorerst von den Piraten abgelehnt. Offensichtlich wurde diesmal gescroogelt: Der Journalist Tomas Sager nennt das Magazin “eigentümlich frei” als “Beispiel für die Querfrontstrategie neurechter Kräfte“  (Blick nach Rechts, 2003).

Zuvor empfahl der offiziellen Twitteraccount der Piraten einen Artikel von A. F. Lichtschlag als “#lesenswert” der die Kritik an Interviews mit der “Jungen Freiheit” als eine Verschwörung des “links-grünen Establishments” darstellt: “Denn eins ist sicher: Hätte Pirat Popp der „JF“ erst gar kein Interview gegeben, wäre eine andere Kampagne gefunden worden. Irgendein „rechter Verdacht“ lässt sich immer konstruieren. Auch Eva Herman hat es nichts genutzt, der „JF“ ein Interview bis heute zu verweigern.”

Auch bezeichnet der Bundespressekoordinator der Piraten in der auf “eigentümlich frei” veröffentlichen Interview-Absage den Artikel von A. F. Lichtschlag als “sehr interessant”. Die Pressestelle der Piraten stellt aber mittlerweile gegenüber “Evil Daystar” klar, dass dies “keine öffentliche Stellungsnahme oder authorisierte Veröffentlichung der Piratenpartei” ist.

Weiter bestätigt die Pressestelle mit einem Hinweis auf einen Artikel der “Ruhr Nachrichten”, “dass der Vorstand der Piratenpartei sich in der Tat dafür ausgesprochen hat, die Diskussion ['Ob er in Zukunft mit bestimmten Medien nicht mehr zusammenarbeiten darf', so der Vorsitzende der Piraten] nicht weiter zu führen, ohne der Basis der Partei die Chance zu geben, seine Meinung dazu zu äußern. Dies könnte zum Beispiel durch Umfragen oder Abstimmungen geschehen und sollte zu einem ruhigeren Zeitpunkt geschehen.”

Kurzum, vor der Bundestagswahl scheint der Vorstand auf Distanz zu rechten Medien zu gehen – bis die Basis eine Entscheidung hierzu gefällt hat. Er hält aber Interviews selbst mit Zeitungen wie die “Junge Freiheit“, die als Sprachrohr der “Neuen Rechten” mit einer “Scharnier-” oder “Brückenkopf”-Funktion zwischen demokratischem Konservatismus und Rechtsextremismus gewertet wird, für richtig. “Ich halte es nicht für einen Fehler, mit den Lesern zu sprechen, nur so kann man sie überzeugen”, begründet dies Seipenbusch, Vorsitzender der Piraten, gegenüber den “Ruhr Nachrichten”.

Näheres zu der Vorgehensweise des Vorstands der Piraten gegen Rechte ist nicht zu erfahren. Auch nicht in Seipenbuschs Stellungsname “Mit Schmuddelkindern spricht man nicht“.  “Aber genau das sagt das Grundgesetz, wenn es um Nazis und andere Antidemokraten geht: Spiel nicht mit den Schmuddelkindern. Und bisher war es nicht nur Gesetz, sondern auch weitgehend ein gesellschaftlicher Konsens, der – anscheinend vergessen das manche – nicht an den Haaren herbeigezogen, sondern historisch gut begründet ist, so “Fiddle.Knows”. Weitere Kritik kommt vom “Spiegelfechter“: “Natürlich ‘darf’ man mit Rechten reden. Genau das machen tausende engagierte Bürger in Deutschland, die in den meist von Gewerkschaften, der SPD, der Grünen und der Linken getragenen lokalen Bündnisse gegen rechts mit rechten oder diesbezüglich gefährdeten Jugendlichen debattieren, freiwillige Arbeit als Streetworker leisten oder Kultur- und Sportevents organisieren. Es ist allerdings etwas vollkommen anderes, sich in der JF der rechten Intelligenzija vorzustellen oder in einer Projektgruppe gegen rechts mit gefährdeten Jugendlichen zu debattieren.”

Die Kritik an dem Vorstand der Piraten ist gehaltvoll und es ist verantwortungslos vom Vorstand weder auf die Kritik einzugehen noch seine Vorgehensweise gegen Rechte näher zu erläutern. Auch reicht es nicht lediglich auf die darüber nach der Wahl anstehende Entscheidung der Basis zu verweisen, da der Vorstand der Piraten diese “Strategie” in die Welt gesetzt und damit zu verantworten hat. Ob nun die Piraten völlig intransparent sind oder lediglich planlos die Situation herunterspielen, spielt ebenfalls keine Rolle. Denn den Vorwurf, dass sich die Piratenpartei von zwielichtigen “Freiheitlichen” bis Nazis instrumentalisieren lässt, entkräften der Vorstand der Piraten mit seinem Schweigen nicht und genau das ist kurz vor der Bundestagswahl verantwortungslos.

Man kann nur hoffen, dass sich die Basis der Piraten nach der Wahl für eine klare Abgrenzung gegen Rechte und rechte Unterwanderung entscheidet. Die Hoffnung schwindet momentan beim Lesen der Tweats und Kommentare von Piraten und deren Anhängern. “Unrast wild.cat” veranlasste dies zu einer lesenswerten Zusammenstellung von Tipps gegen Rechts im Internet: “In den zahllosen Diskussion um die Öffnung der Piraten für das antidemokratische Medien „Junge Freiheit“ zeigte sich eine größere Verunsicherung einerseits und Naivität andererseits in der Frage, wie mit Rechten im Internet umgegangen werden kann. Das ist für mich der Anlass, bislang gemachte Erfahrungen aus der Wikipedia, in der Bloggerszene und in Medienforen in einem kurzen Überblick zusammen zutragen.”

Ob die Piraten sich von Rechten abgrenzen werden steht auch im Zusammenhang mit der ausstehenden Klärung ihres Freiheitsverständnisses. Mit “Piraten. Zieht die Notbremse! Bleibt Spielverderber! Seit ungehorsam! Macht nicht alles mit!” appelliert “Blog von kritische Masse” an die Piraten sich zu positionierend:  “Wer für die Freiheit kämpft, kämpft für die Freiheit aller oder er wird zum Zuhälter von Unrecht, Ausgrenzung und Ausbeutung einer menschenverachtenden und antidemokratischen „Freiheit“.”  Aber auch hier schweigt sich der Vorstand der Piraten aus, ob und wie er diese Debatte angehen will.

Update:

piraten-partei

Gegen Ende voriger Woche dämmerte es selbst der Piraten-Führung, dass die so gern beschworene vorurteilsfreie Offenheit gegenüber allen politischen Richtungen irgendwie auch bedeuten sollte, dass man nicht nur mit Rechten spricht. Und so rief man zwecks eines Ausgleichs im postideo­logischen Ping-Pong bei der Jungle World an und bat darum, interviewt zu werden. Vielleicht ist den Piraten immer noch nicht klar, wie glücklich sie darüber sein können, dass aus dem Gespräch mangels Interesse der Jungle World nichts wird.

Rechte Amtsanmaßung

Der Berliner Tagesspiegel berichtet heute über eine Kampange der berliner  NPD, bei der  an den Grünenabgeordneten Özcan Mutlu ein Brief versandt wurde, der ihn zur “Heimreise” auffordert, und in Aufmachung und Textform wohl an die Schreiben der Ausländerbehörde angelehnt ist. In dieser “Bekanntmachung” werden die Empfänger der Briefe darüber informiert, dass sie im Rahmen eines “5-Punkte-Plans” wieder in ihre Heimatländer zurückgeführt würden. Um Unterkunft und Arbeit sollen sie sich bereits jetzt kümmern.

Die NPD bekennt sich zu der Aktion, als Verantwortlicher ist der Landesvorsitzende der Berliner NPD, Jörg Hähnel, genannt. Laut Hähnel sollen in den nächsten Tagen noch weitere berliner Bürger mit Migrationshintergrund das Schreiben erhalten.

Die berliner Staatsanwaltschaft hat inzwischen Ermittlungen gegen Hähnel eingeleitet, es besteht der Verdacht der Volksverhetzung. Es ist nicht das erste Mal das Hähnel mit dem Gesetz in Konflikt gerät: Bereits zweimal wurde er  verurteilt, unter anderem wegen der Billigung von Straftaten; allerdings sind die Urteile beide noch nicht rechtskräftig.

Die Aktion erinnert an eine Provokation vom August, bei der die Thüringer NPD den aus Ghana stammenden CDU Abgeordneten Zeca Schall bedroht hatte. Die NPD hatte damals verlauten lassen, man wolle Schall “zu Hause besuchen” und “zur Heimreise animieren”.

Fast ebenso erschreckend wie die Aktion der NPD sind die, wenigstens unsensiblen, Reaktionen mancher Zeitungsleser hierauf. So schreibt, in der Kommentarfunktionvon ZeitOnline, der ZeitOnline-Leser papacello

Aussagen von Politikern mit Migrantenhintergrund wie “Die haben immer noch nicht verstanden, dass dieses Land auch unser Land ist” (Mutlu) sind missversändlich und nicht dazu angetan, zur sachlichen Auseinandersetzung beizutragen.

Man stelle sich einmal umgekehrt vor, dass in die Türkei emigrierte Deutsche und dort als Politiker sozialisierte Menschen vor Ort den gleich Spruch losließen…

gerade so, als sei Mutlu nun selber schuld, zur Zielscheibe der Rechten zu werden, wenn er solche Aussagen tätigt.

papacello vergisst dabei, dass zum einen Özcan Mutlu laut seiner Biographie bereits seit 1990 deutscher Staatsbürger ist, und übersieht zum anderen, dass es doch genau diese Form gesellschaftlicher Partizipation ist, nämlich das Land in dem man lebt als “sein Land” zu begreifen, die konservative Politiker von Menschen mit Migrationshintergrund andauernd fordern. Wenn dann jemand das tatsächlich für sich umsetzt, ist es offenbar auch nicht recht.

Ich habe Özcan Mutlu mal gefragt, ob er mir den Wortlaut des NPD-Schreibens zur Veröffentlichung zukommen lassen will.

Update: Herr Mutlu war so freundlich, mir einen Scan des NPD -Schreibens zur Verfügung zu stellen (“Bekanntmachung” der NPD (PDF)). Als ich den Text auf der ersten Seite gelesen habe, ist mit fast mein Mittagessen wieder hochgekommen. Allzusehr erinnert mich der Text an nationalsozialistische Hetze im Stile von “Deutsche, kauft nicht bei Juden!”, mit sich der die NSDAP schon vor Hitlers Machtergreifung 1933 ihren Wählern “empfohlen” hat.

Auf der Rückseite des Schreibens druckt die NPD ihren “5-Punkte-Plan” (der auf der Vorderseite des Schreibens nur 4 Punkte hat) ab, der -in  ungelenker Sprache- erklärt, wie sich die NPD die “Rückfühung” von Ausländern vorstellt. Ob der Partei der klein auf der Rückseite des Schreibens angebrachte Hinweis, es handele sich nicht um ein amtliches Schreiben, hilft, darf angezweifelt werden, die berliner Staatsanwaltschaft hat in den letzten Tagen bereits eine Durchsuchung der Parteizentrale der NPD durchgeführt, und ermittelt nun wegen des Verdachts der Volksverhetzung.

Die unrühmliche Aktion der Nazis beschäftigt nun auch ausländische Medien. So hat die britische BBC bereits ausführlich berichtet.

Hoffentlich begreift nun auch der letzte Wähler, dass man Parteien wie der NPD und ihren Brüdern im Geiste seine Stimme nicht gibt!

Bundestagswahl 2009: Netzpolitische Entscheidungshilfen

Sich von Nazis vereinnahmen lassen … und alle Piraten so: yeeaah

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Sensation: Neues Logo der Piratenpartei geleakt

Polizeigewalt auf der FsA09 Demo – Zeugenbericht

Ich hatte die Gelegenheit, mit einem der Zeugen des Polizeiübergriffs von der FsA09 Demo vom letzten Samstag zu sprechen. Das CCC-Mitglied C. war während des gesamten Vorgangs anwesend, und hat auch Teile der Dialoge mitbekommen, die sich zwischen Polizei und Betroffenen abgespielt haben. C. hat auch jenen Teil im Vorfeld der Übergriffe mitbekommen, die auf dem Video nicht zu sehen sind. Ich gebe seine Schilderung mal unkommentiert wieder:

Ich war beim AK-Vorratwagen, und bekam mit, dass es zu einer Rangelei am “Bunt-und-Laut”-Wagen kam. Als ich eintraf waren Fahrer und Beifahrer des Wagens schon in Handschellen.

Eine Frau versuchte Namen und Dienstnummer der Beamtin, die sie geschlagen hat, herauszufinden. Da diese sich weigerte, schritt das Anti-Konflikt-Team ein, und erklärte, dass die Beamten nicht selber ihrer Dienstnummer herausgeben müssen, sondern der Gruppenführer zuständig sei.

Es kamen ein Paar Wannen der 22. Hundertschaft, und verhafteten die Frau, obwohl die Situation eigentlich schon geklärt war.

Daraufhin erschien der Radfahrer, der daraufhin die Dienstnummer der verhaftenden Beamten erfahren wollte, wurde von den Polizisten mit den Worten “Hau’ ab!” des Platzes verwiesen. Der Mann leistete der Aufforderung folge, wurde aber dann von einem Beamten brutal zurückgezogen, und in die Gruppe der Polizisten geschoben, die dann sofort begannen auf ihn einzuschlagen.

Einen deutlichen Platzverweis haben die Beamten zuvor nicht erteilt, mehr als das “Hau ab!”, wurde nicht gesagt.

Der Mann mit dem blauen T-Shirt ging weg (in die Richtung die ihm lautstark gewiesen wurde) und sagte etwas das ich nicht verstand, in Richtung der Polizsten. Als nächstes lief ihm ein Polizist hinterher, der ihn grob zu den anderen in dunkel grüner Uniform zog. Dort wurde er dann zusammengeschlagen von den Polizisten.

Verordnung zum Gesetz über Amateurblogs (Amateurbloggerverordnung – ABlV)

Vollzitat: “Amateurbloggerverordnung vom 27. Oktober 2009″

§ 1 Anwendungsbereich

Diese Verordnung regelt

1. die Zulassung zur Teilnahme an der Amateur-Blogosphäre,
2. das Verfahren der Zuteilung und Einzelheiten der Anwendung und Mitbenutzung von Identifikationsnummer,
3. die technischen und betrieblichen Rahmenbedingungen für die Durchführung der Amateur-Blogosphäre einschließlich der Nutzungsbedingungen für die Amateur-Blogosphäre ausgewiesenen Blog-Software (Anlage 1) und
4. die Gebühren und Auslagen für Maßnahmen des Amateurbloggergesetzes (Anlage 2).

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Stockholm 1982: Mit Gummiknüppeln gegen soziale Erfindung im Telefonnetz

Hier mal einen Spiegel Online Artikel auf das Wesentliche zusammen remixt:

Als “eine soziale Erfindung ersten Ranges” beschreibt Hans Magnus Enzensberger in seinem Essayband “Ach Europa!” das Phreaking von Stockholmer Schülerinnen und Schülern in den 80igern: Damals konnte man durch die Anwahl einiger gesperrter Anschlüsse mit jedem anderen Teilnehmer sprechen, der das Gleiche tat. “Die betreffenden Telefonnummern gingen an den Stockholmer Schulen wie ein Lauffeuer um, und es entstand ein enorme, spontane Konferenzschaltung. Ein neues Massenmedium war geboren: der ‘heiße Draht’.” Umgehend wurde das neue Massenmedium zum Organisieren eines Flashmobs genutzt. Knapp 1000 Menschen fanden spontan zusammen, unterhielten sich und spazierten 1982 gemeinsam durch Stockholm. “Intelligenter kann man moderne Kommunikationstechniken kaum verwenden,” so Enzenberger zu dieser neuen soziale Entdeckung.

Die Entdeckung bestand nicht lange. Anfänglich knüppelte eine Polizeistaffel den Flashmob nieder, anschließend gab es an die Jugendlichen das staatliche Angebot eine Nummer frei zuschalten über die jeweils fünf Personen fünf Minuten lang telefonieren konnten. “Die Logik der staatlichen Intervention ist vollkommen klar”, so Enzensberger, “erst der Knüppel, dann die Mohrrübe. Die soziale Phantasie der Jugendlichen, ihre Selbsttätigkeit soll in einer Art Zangenbewegung erstickt werden: einerseits durch Unterdrückung, andererseits durch Verstaatlichung.” “Ich habe den Eindruck, dass sie ihr Selbstverständnis aus der Zeit des aufgeklärten Absolutismus herleiten”. Enzenberger weiter: “Sie glauben im Namen nicht nur ihrer Institution, sondern im Namen der ganzen Gesellschaft sprechen und handeln zu können. In ihren Äußerungen kehren immer wieder bezeichnende Sätze wieder: ‘Hier muss die Gesellschaft eingreifen.’ ‘Das kann die Gesellschaft nicht zulassen.’ ‘Darum muss sich die Gesellschaft kümmern.’”

Enzenberger entwickelt eine Denkfigur, die nichts an Aktualität eingebüßt hat, den Staat als “guten Hirten”: “Der gute Hirte ist, da er stets das Beste will, immer der Überzeugung, im Recht zu sein. Zur Besserwisserei fühlt er sich geradezu verpflichtet. Wenn er auf Kritik stößt, macht er zwar hie und da einen taktischen Rückzieher, aber an seinem Hintergedanken hält er unbeirrt fest, und er ist und bleibt entschlossen, ihn das nächste Mal, an anderer Stelle, durchzusetzen.”

Und weiter: “Es ist schwer, ein Urteil über den guten Hirten zu fällen. Das liegt an der Zweideutigkeit seines Wirkens. Er bietet einen Service , einen Grad an Daseinsfürsorge, der beispiellos ist; aber er übt auch einen ‘weichen Terror’ aus, der mich erschreckt. Wenn er – natürlich in bester Absicht – Kinder entführt, Journalisten einsperrt und scharfe Hunde auf Jugendliche hetzt, dann ist es leicht, sich über ihn zu entrüsten; wenn er kostenlose Rollstühle verschreibt und den Frauen gleiches Recht am Arbeitsplatz verschafft, erntet er Beifall. Vielleicht ist es gar nicht möglich, ihm objektiv gerecht zu werden. Vielleicht ist man entweder guter Hirte, oder man ist es nicht.”

Piraten sind unwählbar. Dritter Nazi-Skandal in Folge.

Klar zum Kentern: Ziemlich überrascht war ich von den schwedischen Piraten, die nach dem Einzug in das Europaparlament tatsächlich überlegten mit der rechten euroskeptischen Fraktion zu koalieren. Dass sich rechte Typen in jungen Parteien herum tummeln, ist dagegen weniger überraschend und der Betreffende wurde rausgeschmissen. Trotzdem stellte sich da schon die Frage wohin die Reise geht. Irgendwie im Wiki ein paar netzpolitische Vorschläge zusammentragen und diese als Programm abzustimmen, reicht bei weitem nicht. Dies hat sich jetzt auf besonders erschreckende Weise gezeigt, da der stellvertretende Bundesvorstand Andreas Popp der Zeitung “Junge Freiheit“, die als Sprachrohr der “Neuen Rechten” mit einer “Scharnier-” oder “Brückenkopf”-Funktion zwischen demokratischem Konservatismus und Rechtsextremismus gewertet wird, ein ein Interview gegeben hat. Warum? Weil er die Zeitung angeblich nicht kannte. Ja klar. Spätestens jetzt stellt sich den Piraten die Frage, ob sie weiterhin mit Trucks oder SUVs als möchtegern parlamentarischer Arm des Heise Forums durch die Gegend trollen oder ernsthaft politische Prozesse mitgestalten wollen.

Felix Neumann hat den Piraten in seinem Post Piraten, Gender und Pragmatik beschrieben, wie sie ihre Segel setzen könnten:

“[...] Die Piraten verstehen sich selbst als bewusst pragmatische und am gesunden Menschenverstand orientiert und grenzen sich von Ideologien ab. Das Entscheidungsparadigma scheint jener kluge Aphorismus von Karl Kraus zu sein: „In zweifelhaften Fällen entscheide man sich für das Richtige.“

Die Auffassung, Politik objektivierbar machen zu können, also für jede gegebene Situation anhand der Sachlage entscheiden zu können, was richtig ist, verkennt den Charakter von Politik. Politik beschäftigt sich gerade mit dem, was nicht objektiv entscheidbar ist – sonst bräuchte man keine Politik, sondern könnte einfach eine Expertokratie einrichten. [...] In der Praxis scheitert die Einrichtung einer Expertokratie schon daran, dass man sich auf Maßstäbe einigen müsste, wer als Experte gilt. [...]

Expertokratie, Technokratie verkennt, dass politische Fragen im wesentlichen Wertekonflikte sind. Es lässt sich objektiv, naturwissenschaftlich, nicht klären, wer Recht hat. Ob „Freiheit“ oder „Sicherheit“ das Ziel von Politik sein kann, muss ausgehandelt, diskutiert werden, es müssen Kompromisse gemacht werden, und im letzten kann weder Schäuble noch die Piratenpartei für sich reklamieren, dass ihre Werte im naturwissenschaftlichen Sinne objektiv korrekt seien – und dann wird abgestimmt. Mit Karl Popper: Werte sind nicht falsifizierbar. Deshalb ist es auch etwas kurz gedacht, zu glauben, dass die Piratenpartei gleichzeitig ein umfassendes Programm haben könnte und sich nicht zu Grundrichtungsentscheidungen durchringen müsste. [...]“

Ich bin gespannt ob die Piraten auf diese Anforderung mittelfristig eingehen können, da es erschreckend ist, wie talibanesk viele Piraten auf Kritik reagieren. Denn es Bedarf einer guten Streitkultur um insbesondere bei den außerhalb von netzpolitischen Themen inhomogenen Piraten eine Grundsatzdebatte zu führen. Solange dieser Prozess nicht zu erkennen ist, halte ich sie für unwählbar, da es schleierhaft bleibt, was man da eigentlich ankreuzt. Schließlich scheint im Spektrum zwischen rechten Europaskeptikern und Grünen alles potenziell möglich zu sein. Grüppchen die glauben nur sie verkünden “die Wahrheit” hängen mir sowieso zum Hals heraus.

Update: Julia Seelinger über Popps Interview mit der rechtsradikalen “Jungen Freiheit”

Update 2: Vorsitzender der Piraten füllt “Heimat”-Fragebogen der “Jungen Freiheit” aus und Piraten Presseteam hat keine Berührungsängste mit rechtskonservativer Ideologie.

Update 3: Kritik und Zweifel erscheinen vielen Piraten als Angriff und Verrat: Heulen und Zähneknirschen, jetzt erst recht

Der Krieg der Kameras

Johannes Boie von der Süddeutschen Zeitung hat in seinem Blog einen sehr interessanten Beitrag zum Thema der Polizeigewalt auf der Freiheit statt Angst Demo gebracht.

Der Beitrag hebt einen Aspekt besonders hervor, den ich für sehr wichtig halte:

Gleichzeitig macht der Fall deutlich, wie unprofessionell mit dem Material umgegangen wird – auch von Mainstreammedien wie zum Beispiel dem Boulevardblatt BZ, die es besser wissen müssten. Auf den Videos, die vor allem von Datenschutzaktivisten verbreitet werden, ist zum Beispiel keine Person anonymisiert. So sehr man den Polizisten beim Anblick der Schläge auch eine harte Bestrafung wünscht, hätte es nicht gereicht, den Ermittlungsbehörden die Gesichter des Polizisten zu zeigen? Mit der Veröffentlichung zu drohen? Es ist unwahrscheinlich, dass der schlagende Polizist ein braves Lämmchen ist, dem aus Versehen die Nerven durchgingen. Und selbst wenn es so wäre, müsste er zu Recht mit harten Konsequenzen rechnen. Aber worin besteht die Bestrafung eigentlich? Für immer der schlagende Polizist der Schande im Netz zu sein, oder von einem Richter zu Disziplinarmaßnahmen und Strafe verurteilt zu werden? Und der junge Mann, der später im Video blutend zu sehen ist – möchte der so gezeigt werden? Wie steht es um die zahlreichen Unbeteiligten, die im hochauflösenden Video als Demonstranten zu sehen sind? Und warum haben die Datenschützer die Handynummer eines Zeugens fotogafiert und ins Internet gestellt? Gewiss, hier dient alles einem guten, sinnvollen Zweck: die Täter zu fassen, die Opfer zu unterstützen. Was aber, wenn dieses Ziel erreicht ist? Was einmal im Netz steht, kann in der Regel nie wieder gelöscht werden. Ein nicht zu rechtfertigender Schlag ins Gesicht ist endlicher Schmerz. Ein Video im Internet eine unendliche Anklage.

Falsch ist das nicht: Gerade wir, die wir für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit eintreten, die ständig beklagen, wie der Staat generalverdächtigt und die Medien vorverurteilen, sollten uns hier an die eigene Nase fassen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass in diesem Fall die Netzgemeinde eben jene “Blame and Shame” Taktik anwendet, die sie bei anderen immer kritisiert.

Allerdings kann man dagegen halten, dass diese drastische Maßnahme ihre Berechtigung hat: Hätten die Mainstreammedien das Thema aufgegriffen, wenn es zwei oder drei Tage gedauert hätte, bis der Film fertig bearbeitet ist? Hätte es jemanden interessiert, wären die Gesichter verpixelt? Leider ist der gezeigte Fall nicht der erste seiner Art, auch auf den vergangenen Demos -nicht nur beim AK-Vorrat- kam es zu Übergriffen der Polizei auf unbeteiligte Demonstranten. Die “harte Hand” der Berliner Bereitschaftspolizei, die auch schon mal mit Quarzsand nachhilft, um sie noch etwas härter zu machen, ist berüchtigt.  Leider haben Klagen dagegen bislang wenig Konsequenzen gehabt. Im Gegenteil werden Zeugen von Polizeiübergriffen erstaunlich oft, wenn sie Aussagen wollen, weitere Straftaten wie “Landfriedensbruch” oder “Widerstand” zur Last gelegt. Aus diesen Gründen halte ich die Reaktion in diesem Falle für angemessen.

Doch besonders im Lichte unserer eigenen Forderungen, sollten wir überlegen, ob wir bei derartigen Aktionen in Zukunft mehr auf Datenschutz setzen, und Unbeteiligte unkenntlich machen. Denn die Einwände sind nicht unberechtigt, und die Glaubwürdigkeit der Bürgerrechtsbewegung ein wichtiges Gut.

Wähle CDU und rette deine Freiheit!

Die Fortsetzung von “Du bist Terrorist“. (via netzpolitik.org)