Mit ‘Polizeigewalt’ getaggte Artikel

Polizeigewalt auf der FsA09 Demo – Zeugenbericht

Ich hatte die Gelegenheit, mit einem der Zeugen des Polizeiübergriffs von der FsA09 Demo vom letzten Samstag zu sprechen. Das CCC-Mitglied C. war während des gesamten Vorgangs anwesend, und hat auch Teile der Dialoge mitbekommen, die sich zwischen Polizei und Betroffenen abgespielt haben. C. hat auch jenen Teil im Vorfeld der Übergriffe mitbekommen, die auf dem Video nicht zu sehen sind. Ich gebe seine Schilderung mal unkommentiert wieder:

Ich war beim AK-Vorratwagen, und bekam mit, dass es zu einer Rangelei am “Bunt-und-Laut”-Wagen kam. Als ich eintraf waren Fahrer und Beifahrer des Wagens schon in Handschellen.

Eine Frau versuchte Namen und Dienstnummer der Beamtin, die sie geschlagen hat, herauszufinden. Da diese sich weigerte, schritt das Anti-Konflikt-Team ein, und erklärte, dass die Beamten nicht selber ihrer Dienstnummer herausgeben müssen, sondern der Gruppenführer zuständig sei.

Es kamen ein Paar Wannen der 22. Hundertschaft, und verhafteten die Frau, obwohl die Situation eigentlich schon geklärt war.

Daraufhin erschien der Radfahrer, der daraufhin die Dienstnummer der verhaftenden Beamten erfahren wollte, wurde von den Polizisten mit den Worten “Hau’ ab!” des Platzes verwiesen. Der Mann leistete der Aufforderung folge, wurde aber dann von einem Beamten brutal zurückgezogen, und in die Gruppe der Polizisten geschoben, die dann sofort begannen auf ihn einzuschlagen.

Einen deutlichen Platzverweis haben die Beamten zuvor nicht erteilt, mehr als das “Hau ab!”, wurde nicht gesagt.

Der Mann mit dem blauen T-Shirt ging weg (in die Richtung die ihm lautstark gewiesen wurde) und sagte etwas das ich nicht verstand, in Richtung der Polizsten. Als nächstes lief ihm ein Polizist hinterher, der ihn grob zu den anderen in dunkel grüner Uniform zog. Dort wurde er dann zusammengeschlagen von den Polizisten.

Der Krieg der Kameras

Johannes Boie von der Süddeutschen Zeitung hat in seinem Blog einen sehr interessanten Beitrag zum Thema der Polizeigewalt auf der Freiheit statt Angst Demo gebracht.

Der Beitrag hebt einen Aspekt besonders hervor, den ich für sehr wichtig halte:

Gleichzeitig macht der Fall deutlich, wie unprofessionell mit dem Material umgegangen wird – auch von Mainstreammedien wie zum Beispiel dem Boulevardblatt BZ, die es besser wissen müssten. Auf den Videos, die vor allem von Datenschutzaktivisten verbreitet werden, ist zum Beispiel keine Person anonymisiert. So sehr man den Polizisten beim Anblick der Schläge auch eine harte Bestrafung wünscht, hätte es nicht gereicht, den Ermittlungsbehörden die Gesichter des Polizisten zu zeigen? Mit der Veröffentlichung zu drohen? Es ist unwahrscheinlich, dass der schlagende Polizist ein braves Lämmchen ist, dem aus Versehen die Nerven durchgingen. Und selbst wenn es so wäre, müsste er zu Recht mit harten Konsequenzen rechnen. Aber worin besteht die Bestrafung eigentlich? Für immer der schlagende Polizist der Schande im Netz zu sein, oder von einem Richter zu Disziplinarmaßnahmen und Strafe verurteilt zu werden? Und der junge Mann, der später im Video blutend zu sehen ist – möchte der so gezeigt werden? Wie steht es um die zahlreichen Unbeteiligten, die im hochauflösenden Video als Demonstranten zu sehen sind? Und warum haben die Datenschützer die Handynummer eines Zeugens fotogafiert und ins Internet gestellt? Gewiss, hier dient alles einem guten, sinnvollen Zweck: die Täter zu fassen, die Opfer zu unterstützen. Was aber, wenn dieses Ziel erreicht ist? Was einmal im Netz steht, kann in der Regel nie wieder gelöscht werden. Ein nicht zu rechtfertigender Schlag ins Gesicht ist endlicher Schmerz. Ein Video im Internet eine unendliche Anklage.

Falsch ist das nicht: Gerade wir, die wir für Freiheit und Rechtsstaatlichkeit eintreten, die ständig beklagen, wie der Staat generalverdächtigt und die Medien vorverurteilen, sollten uns hier an die eigene Nase fassen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass in diesem Fall die Netzgemeinde eben jene “Blame and Shame” Taktik anwendet, die sie bei anderen immer kritisiert.

Allerdings kann man dagegen halten, dass diese drastische Maßnahme ihre Berechtigung hat: Hätten die Mainstreammedien das Thema aufgegriffen, wenn es zwei oder drei Tage gedauert hätte, bis der Film fertig bearbeitet ist? Hätte es jemanden interessiert, wären die Gesichter verpixelt? Leider ist der gezeigte Fall nicht der erste seiner Art, auch auf den vergangenen Demos -nicht nur beim AK-Vorrat- kam es zu Übergriffen der Polizei auf unbeteiligte Demonstranten. Die “harte Hand” der Berliner Bereitschaftspolizei, die auch schon mal mit Quarzsand nachhilft, um sie noch etwas härter zu machen, ist berüchtigt.  Leider haben Klagen dagegen bislang wenig Konsequenzen gehabt. Im Gegenteil werden Zeugen von Polizeiübergriffen erstaunlich oft, wenn sie Aussagen wollen, weitere Straftaten wie “Landfriedensbruch” oder “Widerstand” zur Last gelegt. Aus diesen Gründen halte ich die Reaktion in diesem Falle für angemessen.

Doch besonders im Lichte unserer eigenen Forderungen, sollten wir überlegen, ob wir bei derartigen Aktionen in Zukunft mehr auf Datenschutz setzen, und Unbeteiligte unkenntlich machen. Denn die Einwände sind nicht unberechtigt, und die Glaubwürdigkeit der Bürgerrechtsbewegung ein wichtiges Gut.