Behindert nach Aktenlage

Es ist schon ein Hammer, was sich unsere Behörden so leisten. Wer die “Monitor” Sendung von vergangener Woche gesehen hat, dem blieb förmlich das Essen im Halse stecken:

Monitor zeigt Frau Doris Kruse, eine 41-jährige Hausfrau, die seit einigen Jahren arbeitslos ist.  Frau Kruse sucht emsig einen Job, schreibt Bewerbungen, und tut auch ansonsten, was die Arbeitsagentur verlangt. Bis sie eines Tages Post von der ARGE bekommt: “Nach Aktenlage”, in diesem Fall auf Grund eines Eignungstests, den die Agentur sie hat machen lassen, sei Frau Kruse geistig behindert. So etwas entscheidet man in der ARGE “nach Aktenlage”, d.h. ohne das jemals ein Arzt mit ihr gesprochen hätte.

Wie die ARGE darauf kommt, ist ganz einfach: Menschen mit geistigen Behinderungen haben in Deutschland einen Anspruch auf einen Arbeitsplatz in einer Behindertenwerkstatt, die natürlich aus anderen Töpfen finanziert werden als das Arbeitslosengeld II. Der Verdacht, dass man Frau Kruse, und -wie Monitor sagt, auch viele andere Langzeitarbeitslose auf diese Art aus der Statistik schieben, und natürlich die Kosten einsparen will, liegt mehr als nahe.

Was ein solches Urteil für einen Menschen bedeutet, inklusive dem gesellschaftlichen Stigma, dass einer Behinderung leider immer noch anhaftet, kann man sich denken. Da spricht ein Amt letztlich, nur um ein paar Euro zu sparen, einer Frau, die immerhin ganz allein zwei Kinder großgezogen hat, die Fähigkeit ab, selbstbestimt leben zu können.

Gleichzeitig werden mit solchen Aktionen die Kassen ausgerechnet der Organisationen unnötig belastet, die eigentlich Menschen, die tatsächlich mit Behinderungen leben, helfen sollen. Ein Bereich, der ohnehin schon so kaputt gespart wurde, dass er diese Aufgabe eigentlich gar nicht mehr erfüllen kann.

Da fehlen einem wirklich die Worte.

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2 Kommentare zu „Behindert nach Aktenlage“

  1. hkomar sagt:

    Da fehlen doch wohl nicht die Worte… nein,

    so etwas hat im Hintergrund ein totalitäres Denken und zeigt dieses als bürokratisches, unmenschliches Handeln. Juristisches Eingreifen ist hier dringend erforderlich zum Schutz dieser Frau.

    Dieser technoides Umgang mit der Betroffenen hat seine Ursache im instrumentierten Behandeln von sog. Fällen. Dabei sind die Verursacher solcher Datenerhebungen entweder nicht in der Lage, sich in die Betroffenen hineinzuverdenken oder sie sind per Bürokratensessel dazu nicht “befugt”. Weil ihnen oft nur rasterhafte Vorstellungen und lineare Entscheidungswege vor Augen sind, ist und wird ihnen nicht klar, dass sie mit solchen Befragungen ein Instrument benutzen, das von Form und Inhalt her ein Machtinstrument ist.
    All solches funktioniert nur mit einer naiven Medienhörigkeit. Sowohl die verwantwortlichen Verwaltungsmenschen als auch die Betroffenen hätten durch Verweigerung und anklagende Veröffentlichung (dank an Monitor und evildaystar!) so etwas von Anfang an verhindern können !

  2. Sab sagt:

    Wenn Menschen nur noch Datensätze sind… Bei dem Beitrag ist mir auch anders geworden. Schlimmer noch, dass auch das mal wieder _nicht_ in die Qualitätsmedien durchgedrungen ist.

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