Archiv für Dezember 2010

Das Schweigen der EU

Am 1. Januar tritt in Ungarn ein neues Gesetz zur Regulierung der Medienlandschaft in Kraft. Hierzu wird eine Regulierungsbehörde geschaffen, die über die Einhaltung der Regeln wachen soll. Die Nemzeti Média- és Hírközlési Hatóság (NMHH) soll in Zukunft darüber wachen, dass Medien die Vorschriften zum Jugendschutz einhalten, aber auch ob eine “ausgewogene Berichterstattung” stattfindet. Was “ausgewogene Berichterstattung” ist, lässt das Gesetz allerdings offen.

Wie die BBC berichtet, drohen bei Zuwiderhandlungen Bußgelder zwischen 10 Millionen Forint (ca. 35.000€) für Webseiten und 200 Millionen Forint (ca. 713.000€) gegen TV- und Radiostationen. Zeitungen können mit bis zu 25 Millionen Forint (89.000€) belegt werden. Die Strafe muss auf jeden Fall bezahlt werden, bevor ein Widerspruch überhaupt möglich ist. Widerspruchsverfahren sind dagegen aufwendig und teuer, und ziehen sich vermutlich über Jahre. Für eine kleine Zeitung bedeutet ein Bußgeld daher vermutlich das finanzielle aus.

Anders als z.B. bei der britischen Regulierungsbehörde Ofcom darf die NMHH auch ohne eine Beschwerde von dritter Seite tätig werden. Die NMHH untersteht dabei dem ungarischen Innenministerium, und wird nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters, voraussichtlich vor allem von Personen besetzt werden, die der Regierungspartei Fidesz, des ungarischen Präsidenten Viktor Orbán nahestehen.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) äußerste sich in einer Pressemitteilung besorgt über die Zukunft der Pressefreiheit in Ungarn. Die OSZE sieht in dem Gesetz einen klaren Verstoß gegen die Standards der Pressefreiheit. Dunja Mijatovic, die Beauftragte für die Freiheit der Medien in der OSZE wird mit den Worten zitiert:

“I am concerned that Hungary’s parliament has adopted media legislation that, if misused, can silence critical media and public debate in the country,”

Um so erstaunlicher ist das Schweigen der übrigen EU-Staaten, von denen sich einzig Luxemburg kritisch zu den Vorgängen in Ungarn geäußert hat. Anders als noch im Jahr 2000, als die EU diplomatische Sanktionen gegen Österreich verhängte, um gegen die Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) Jörg Haiders zu protestieren, hat man Viktor Orbán bislang gewähren lassen, obwohl seine Fidesz-Partei in den selben Gewässern fischt wie weiland Haiders FPÖ.

Die jüngste Einschränkung der Pressefreiheit in Ungarn, das am 1. Januar auch die Ratspräsidentschaft der EU übernimmt, ist für die EU nicht hinzunehmen, ist sie doch nicht nur ein Affront gegen die Bürger Ungarns, sondern auch gegen alle anderen EU-Bürger, die sich der, sonst von der Politik so gern beschworenen, europäischen Wertegemeinschaft zu gehörig fühlen.

Das europäische Bloggerportal bloggerportal.eu ruft deswegen zum Protest auf. Ich zitiere mal aus dem Aufruf:

Europe’s bloggers are not going to accept that the EU Council will be presided over by a country acting against the fundamental rights of EU citizens. Such rank hypocrisy cannot go unchallenged. Article 11 of the Charter of Fundamental Rights and Freedoms of the EU is very clear about this:

1. Everyone has the right to freedom of expression. This right shall include freedom to hold opinions and to receive and impart information and ideas without interference by public authority and regardless of frontiers.

2. The freedom and pluralism of the media shall be respected.

We see this right being violated by the upcoming EU Council Presidency and are thus inviting bloggers from all around the EU to join our European Blog Action.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen rund um Zersursula, Censilia und Co. nährt das Schweigen der übrigen Staaten die Befürchtung, dass ähnliche Pläne für eine Richtline bereits in den Schubladen der EU-Kommision schlummern, und man erstmal in Ruhe abwartet, wie Ungarn damit durchkommt.

Wir dürfen diesen Abbau von Bürgerrechten innerhalb der Europäischen Union nicht hinnehmen, und müssen dieses Gesetz ebenso hart bekämpfen, wie die Gesetze, die unser eigenes Land betreffen. Ich schließe mich daher dem Aufruf von Bloggerportal.eu: Seid laut!

Studentenradio in Bremen

Ich bin in der letzten Woche beim Studentenradio an der Bremer Uni eingeladen gewesen, als Interviewpartner zum Thema 27C3. Freundlicherweise haben die Macher mir erlaubt, während der ganzen Sendung dabei zu sein, und den Radiomachern mal über die Schulter zu schauen.

Das ganze lief recht fröhlich-chaotisch ab, gesendet wurde aus der Cafeteria im GW2. Merkwürdigerweise ist es zwar so, dass man zwar für die Teilnahme am Campusradio Credit-Points für sein Studium bekommen kann, die Uni es aber nicht für nötig hält, den Machern für die Livesendung einen Raum zur Verfügung zu stellen. Obwohl das sicher nicht schwer wäre, so groß ist die Raumnot an der Uni ja nun nicht.

Jan Peter Erb, der Chefredakteur bemüht sich aber wohl schon recht lange erfolglos darum. Eine der ärgerlichsten Seiteneffekte ist, dass die Sendung, die Live über das Bürgerradio von Radio-Weser.TV ausgestrahlt wird, dieses mal acht Minuten Sendeausfall produziert hat, weil der Live-Stream im GW2 nur über das campuseigene  W-LAN gestreamt werden kann, dass leider durchaus gerne mal wegbricht.

Hier ist IMHO die Uni-Leitung gefragt, den Studenten wenigstens eine Netzwerkdose zur Verfügung zu stellen.

In dem Interview ging es um den CCC, den 27C3 und verwandte Themen. Beim nochmal anhören ist mir aufgefallen, dass mein Äh-Index sehr hoch ist. Daran muss ich unbedingt noch arbeiten. Ansonsten drehen sich die Beiträge um das studentische Leben in und um die Bremer Uni. Von Wohnungssuche über GEZ bis zum Essen in der Mensa.

Alle Beiträge der Campusradiosendungen könnt ihr übrigens hier nachhören. Einen Blick auf die Playlist empfehle ich allen, die Musik jenseits des Mainstreams hören mögen. Leider darf die Musik aus rechtlichen Gründen nicht online gestellt werden. Hier wäre es schön mehr CC-Lizensiertes im Programm zu haben.

Hört auf jeden Fall mal rein, die nächste Sendung läuft am 12.1. in Bremen und umzu auf 92.5 MHz im Radio, oder im Livestream.

Ein kleiner Schritt

Während die deutsche Blogosphäre gerade die Dämmerung des Internet durch den JMStV herbeischreibt, machen die Australier gerade vor, wieso wir unseren Blick eigentlich in Richtung Brüssel auf Censilia richten sollten.

Die Australier haben nämlich auch ein Netzsperrengesetz gegen Kinderpornographie. Nicht nur sind dort die Provider angehalten Seiten auf der Sperrliste zu sperren, wer auf eine geblacklistete Seite verlinkt, muss mit einem Bußgeld von AUS $11000 rechnen; pro Tag an dem der Link online ist.

Auf der Sperrliste der Australier stehen zur Zeit offiziell 1³70 Seiten. Die meisten davon enthalten, nach Angaben des Online-Magazins TechRadar in Australien illegale Pornographie, was in diesem Fall praktisch alle kommerziellen Angebote  mit pornographischem Inhalt umfasst, da in Australien zwar der Besitz vor Pornographie legal, der Handel aber illegal ist.

Der jüngste Zugang am Wochenende: Wikileaks. Die Seite wurde zwar bereits am Montag wieder von der Liste entfernt, weil entsprechender Protest durch die Medien ging, aber das Beispiel zeigt, wie kurz der Weg von Kinderpornosperren zu politischer Zensur ist.

Wenn Wikileaks wegen der Veröffentlichung der US-Botschaftsdepeschen gesperrt werden kann, wieso dann nicht auch die Zeitungen, die mit Wikileaks zusammengearbeitet haben, also der  britische Guardian und die New York Times sowoe der  der Spiegel? Einen Grund zum Blacklisting wird man finden, und sei er noch so an den Haaren herbeigezogen.

Laws should be like clothes. They should be made to fit the people they serve.

(Clarence Darrow)