Mit ‘Presse’ getaggte Artikel

Das Schweigen der EU

Am 1. Januar tritt in Ungarn ein neues Gesetz zur Regulierung der Medienlandschaft in Kraft. Hierzu wird eine Regulierungsbehörde geschaffen, die über die Einhaltung der Regeln wachen soll. Die Nemzeti Média- és Hírközlési Hatóság (NMHH) soll in Zukunft darüber wachen, dass Medien die Vorschriften zum Jugendschutz einhalten, aber auch ob eine “ausgewogene Berichterstattung” stattfindet. Was “ausgewogene Berichterstattung” ist, lässt das Gesetz allerdings offen.

Wie die BBC berichtet, drohen bei Zuwiderhandlungen Bußgelder zwischen 10 Millionen Forint (ca. 35.000€) für Webseiten und 200 Millionen Forint (ca. 713.000€) gegen TV- und Radiostationen. Zeitungen können mit bis zu 25 Millionen Forint (89.000€) belegt werden. Die Strafe muss auf jeden Fall bezahlt werden, bevor ein Widerspruch überhaupt möglich ist. Widerspruchsverfahren sind dagegen aufwendig und teuer, und ziehen sich vermutlich über Jahre. Für eine kleine Zeitung bedeutet ein Bußgeld daher vermutlich das finanzielle aus.

Anders als z.B. bei der britischen Regulierungsbehörde Ofcom darf die NMHH auch ohne eine Beschwerde von dritter Seite tätig werden. Die NMHH untersteht dabei dem ungarischen Innenministerium, und wird nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters, voraussichtlich vor allem von Personen besetzt werden, die der Regierungspartei Fidesz, des ungarischen Präsidenten Viktor Orbán nahestehen.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) äußerste sich in einer Pressemitteilung besorgt über die Zukunft der Pressefreiheit in Ungarn. Die OSZE sieht in dem Gesetz einen klaren Verstoß gegen die Standards der Pressefreiheit. Dunja Mijatovic, die Beauftragte für die Freiheit der Medien in der OSZE wird mit den Worten zitiert:

“I am concerned that Hungary’s parliament has adopted media legislation that, if misused, can silence critical media and public debate in the country,”

Um so erstaunlicher ist das Schweigen der übrigen EU-Staaten, von denen sich einzig Luxemburg kritisch zu den Vorgängen in Ungarn geäußert hat. Anders als noch im Jahr 2000, als die EU diplomatische Sanktionen gegen Österreich verhängte, um gegen die Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) Jörg Haiders zu protestieren, hat man Viktor Orbán bislang gewähren lassen, obwohl seine Fidesz-Partei in den selben Gewässern fischt wie weiland Haiders FPÖ.

Die jüngste Einschränkung der Pressefreiheit in Ungarn, das am 1. Januar auch die Ratspräsidentschaft der EU übernimmt, ist für die EU nicht hinzunehmen, ist sie doch nicht nur ein Affront gegen die Bürger Ungarns, sondern auch gegen alle anderen EU-Bürger, die sich der, sonst von der Politik so gern beschworenen, europäischen Wertegemeinschaft zu gehörig fühlen.

Das europäische Bloggerportal bloggerportal.eu ruft deswegen zum Protest auf. Ich zitiere mal aus dem Aufruf:

Europe’s bloggers are not going to accept that the EU Council will be presided over by a country acting against the fundamental rights of EU citizens. Such rank hypocrisy cannot go unchallenged. Article 11 of the Charter of Fundamental Rights and Freedoms of the EU is very clear about this:

1. Everyone has the right to freedom of expression. This right shall include freedom to hold opinions and to receive and impart information and ideas without interference by public authority and regardless of frontiers.

2. The freedom and pluralism of the media shall be respected.

We see this right being violated by the upcoming EU Council Presidency and are thus inviting bloggers from all around the EU to join our European Blog Action.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen rund um Zersursula, Censilia und Co. nährt das Schweigen der übrigen Staaten die Befürchtung, dass ähnliche Pläne für eine Richtline bereits in den Schubladen der EU-Kommision schlummern, und man erstmal in Ruhe abwartet, wie Ungarn damit durchkommt.

Wir dürfen diesen Abbau von Bürgerrechten innerhalb der Europäischen Union nicht hinnehmen, und müssen dieses Gesetz ebenso hart bekämpfen, wie die Gesetze, die unser eigenes Land betreffen. Ich schließe mich daher dem Aufruf von Bloggerportal.eu: Seid laut!

Eliten haben Angst vor dem Internet … zurecht! *fg*

Blog-Kommentar zu dem Post “Zapp: Kämpfen gegen die Zensur!” von Wolfgang D. vom AK Vorrat – Ortsgruppe Karlsruhe:

Als Bürgerrechtsgruppe haben wir erfahren, wie gut die Zensur in viele klassischen Medien funktioniert. Wir haben auf eine CDU-Veranstaltung kritische Fragen gestellt. Einige von uns waren durch T-Shirt-Aufdrucke eindeutig nicht als CDU-Anhänger erkennbar. Wir haben vor dem Saal auch Flyer verteilt. Von der Presse kam ein Reporter und ein Fotograf der Lokalzeitung BNN.
Die haben sich überhaupt nicht für uns interessiert! Bei Fotos wurde darauf geachtet uns nicht im Bild zu haben. Die Leser der Zeitung haben nicht erfahren, dass wir da waren. Auch bei Berichten über andere Themen, merkte man, dass das Ziel dieser Zeitung nicht objektive nicht Information sondern Propaganda für die CDU ist.
Ich habe schon an mehren Orten innerhalb Deutschlands gewohnt und weiß daher, dass das kein Einzelfall ist.
Und genau deswegen vermute ich, dass es eben doch um politische Zensur geht. Denn je mehr sich die Bürger über das Internet informieren, desto weniger funktioniert die politische Beeinflussung über parteinahe Medien. Zumindest solange viele Berichte kostenlos angeboten wird, ist es im Internet ja problemlos möglich, sich aus verschieden Quellen zu einem Thema zu informieren.
Ich glaube genau davor hat die CDU/CSU Angst.

Selber kann ich bestätigen, dass es sich dabei keinesfalls um einen Einzelfall handelt. Erst gestern wurde mir berichtet, dass ein Redakteur die Nachfrage,  warum er eine Pressemitteilung mit Informationen über die Veruntreuung von Geldern eines öffentlichen Betriebes – Staatsanwaltschaft ermittelt bereits – auf einen Satz kürzte, mit “ich habe einen Verleger” beantwortete.