Archiv für die Kategorie ‘Netz’

Paolo Nespoli twittert

Falls ihr jetzt nicht wisst, wer das ist:

Paolo Nespoli ist ein italienischer Astronaut. Der Luft- und Raumfahrttechniker ist derzeit im Rahmen der ISS Mission 27 als Teil der Stammbesatzung der Station unterwegs. Damit wir ein bischen daran teilhaben können, macht Nespoli regelmäßig schöne Fotos, die er dann als @astro_paolo über Twitter schickt. Das ist unbedingt sehenswert:

Mondaufgang über der Erde, aufgenommen am 21.03.2011 von Paolo Nespoli

Mondaufgang über der Erde, aufgenommen am 21.03.2011 von Paolo Nespoli

@astro_paolo ist innerhalb von 5 Minuten in die Reihe meiner Lieblingstwitterer aufgestiegen.

Wer noch mehr will sollte auf der Seite Astronomy Picture of the Day der NASA vorbeischauen. Die Seite ist immer noch sehr 90er im Design, aber auch dort gibt es jeden Tag ein neues Weltraumbild.

Das Schweigen der EU

Am 1. Januar tritt in Ungarn ein neues Gesetz zur Regulierung der Medienlandschaft in Kraft. Hierzu wird eine Regulierungsbehörde geschaffen, die über die Einhaltung der Regeln wachen soll. Die Nemzeti Média- és Hírközlési Hatóság (NMHH) soll in Zukunft darüber wachen, dass Medien die Vorschriften zum Jugendschutz einhalten, aber auch ob eine “ausgewogene Berichterstattung” stattfindet. Was “ausgewogene Berichterstattung” ist, lässt das Gesetz allerdings offen.

Wie die BBC berichtet, drohen bei Zuwiderhandlungen Bußgelder zwischen 10 Millionen Forint (ca. 35.000€) für Webseiten und 200 Millionen Forint (ca. 713.000€) gegen TV- und Radiostationen. Zeitungen können mit bis zu 25 Millionen Forint (89.000€) belegt werden. Die Strafe muss auf jeden Fall bezahlt werden, bevor ein Widerspruch überhaupt möglich ist. Widerspruchsverfahren sind dagegen aufwendig und teuer, und ziehen sich vermutlich über Jahre. Für eine kleine Zeitung bedeutet ein Bußgeld daher vermutlich das finanzielle aus.

Anders als z.B. bei der britischen Regulierungsbehörde Ofcom darf die NMHH auch ohne eine Beschwerde von dritter Seite tätig werden. Die NMHH untersteht dabei dem ungarischen Innenministerium, und wird nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters, voraussichtlich vor allem von Personen besetzt werden, die der Regierungspartei Fidesz, des ungarischen Präsidenten Viktor Orbán nahestehen.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) äußerste sich in einer Pressemitteilung besorgt über die Zukunft der Pressefreiheit in Ungarn. Die OSZE sieht in dem Gesetz einen klaren Verstoß gegen die Standards der Pressefreiheit. Dunja Mijatovic, die Beauftragte für die Freiheit der Medien in der OSZE wird mit den Worten zitiert:

“I am concerned that Hungary’s parliament has adopted media legislation that, if misused, can silence critical media and public debate in the country,”

Um so erstaunlicher ist das Schweigen der übrigen EU-Staaten, von denen sich einzig Luxemburg kritisch zu den Vorgängen in Ungarn geäußert hat. Anders als noch im Jahr 2000, als die EU diplomatische Sanktionen gegen Österreich verhängte, um gegen die Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) Jörg Haiders zu protestieren, hat man Viktor Orbán bislang gewähren lassen, obwohl seine Fidesz-Partei in den selben Gewässern fischt wie weiland Haiders FPÖ.

Die jüngste Einschränkung der Pressefreiheit in Ungarn, das am 1. Januar auch die Ratspräsidentschaft der EU übernimmt, ist für die EU nicht hinzunehmen, ist sie doch nicht nur ein Affront gegen die Bürger Ungarns, sondern auch gegen alle anderen EU-Bürger, die sich der, sonst von der Politik so gern beschworenen, europäischen Wertegemeinschaft zu gehörig fühlen.

Das europäische Bloggerportal bloggerportal.eu ruft deswegen zum Protest auf. Ich zitiere mal aus dem Aufruf:

Europe’s bloggers are not going to accept that the EU Council will be presided over by a country acting against the fundamental rights of EU citizens. Such rank hypocrisy cannot go unchallenged. Article 11 of the Charter of Fundamental Rights and Freedoms of the EU is very clear about this:

1. Everyone has the right to freedom of expression. This right shall include freedom to hold opinions and to receive and impart information and ideas without interference by public authority and regardless of frontiers.

2. The freedom and pluralism of the media shall be respected.

We see this right being violated by the upcoming EU Council Presidency and are thus inviting bloggers from all around the EU to join our European Blog Action.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen rund um Zersursula, Censilia und Co. nährt das Schweigen der übrigen Staaten die Befürchtung, dass ähnliche Pläne für eine Richtline bereits in den Schubladen der EU-Kommision schlummern, und man erstmal in Ruhe abwartet, wie Ungarn damit durchkommt.

Wir dürfen diesen Abbau von Bürgerrechten innerhalb der Europäischen Union nicht hinnehmen, und müssen dieses Gesetz ebenso hart bekämpfen, wie die Gesetze, die unser eigenes Land betreffen. Ich schließe mich daher dem Aufruf von Bloggerportal.eu: Seid laut!

Studentenradio in Bremen

Ich bin in der letzten Woche beim Studentenradio an der Bremer Uni eingeladen gewesen, als Interviewpartner zum Thema 27C3. Freundlicherweise haben die Macher mir erlaubt, während der ganzen Sendung dabei zu sein, und den Radiomachern mal über die Schulter zu schauen.

Das ganze lief recht fröhlich-chaotisch ab, gesendet wurde aus der Cafeteria im GW2. Merkwürdigerweise ist es zwar so, dass man zwar für die Teilnahme am Campusradio Credit-Points für sein Studium bekommen kann, die Uni es aber nicht für nötig hält, den Machern für die Livesendung einen Raum zur Verfügung zu stellen. Obwohl das sicher nicht schwer wäre, so groß ist die Raumnot an der Uni ja nun nicht.

Jan Peter Erb, der Chefredakteur bemüht sich aber wohl schon recht lange erfolglos darum. Eine der ärgerlichsten Seiteneffekte ist, dass die Sendung, die Live über das Bürgerradio von Radio-Weser.TV ausgestrahlt wird, dieses mal acht Minuten Sendeausfall produziert hat, weil der Live-Stream im GW2 nur über das campuseigene  W-LAN gestreamt werden kann, dass leider durchaus gerne mal wegbricht.

Hier ist IMHO die Uni-Leitung gefragt, den Studenten wenigstens eine Netzwerkdose zur Verfügung zu stellen.

In dem Interview ging es um den CCC, den 27C3 und verwandte Themen. Beim nochmal anhören ist mir aufgefallen, dass mein Äh-Index sehr hoch ist. Daran muss ich unbedingt noch arbeiten. Ansonsten drehen sich die Beiträge um das studentische Leben in und um die Bremer Uni. Von Wohnungssuche über GEZ bis zum Essen in der Mensa.

Alle Beiträge der Campusradiosendungen könnt ihr übrigens hier nachhören. Einen Blick auf die Playlist empfehle ich allen, die Musik jenseits des Mainstreams hören mögen. Leider darf die Musik aus rechtlichen Gründen nicht online gestellt werden. Hier wäre es schön mehr CC-Lizensiertes im Programm zu haben.

Hört auf jeden Fall mal rein, die nächste Sendung läuft am 12.1. in Bremen und umzu auf 92.5 MHz im Radio, oder im Livestream.

Im Bett mit RTL II

In seinem jüngsten Kommentar zu der Sendung Tartort Internet-Schützt endlich unsere Kinder!, die in den vergangenem zwei Wochen bei RTL II zu sehen war, fragt Heinrich Wefing in der Zeit, ob es denn eine angemessene Sprache gäbe, um mit dem Thema Kindesmissbrauch im Netz umzugehen. Die Antwort darauf gibt er gleich selber:

Nach den Erfahrungen der letzten Jahre müsste man meinen: Nein. Wer immer eine solche Sprache versucht hat, deutlich und hörbar, der ist sofort unter Verdacht gestellt worden. Dem schlug der Vorwurf entgegen, vor allem auf persönliche Profilierung aus zu sein, den Kitzel des Widerwärtigen zu instrumentalisieren. So ist es der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen ergangen, als sie digitale Sperren gegen die Verbreitung von Kinderporno-Seiten im Internet forderte und damit einen hasserfüllten Widerspruch auslöste, eine gigantische Protestwelle, wie es sie gegen das Geschäft mit dem Missbrauch von Kindern im Netz noch nie gegeben hat.

Nun frage ich mich, ab wann Herr Wefing eine Äußerung zu diesem Thema als “hasserfüllt” ansieht. Schließlich ist es Frau von der Leyen gewesen, die mit falschen Zahlen argumentiert hat, gar einen kleinen diplomatischen Zwischenfall auslöste, als sie behauptete in Indien sei die Verbreitung und Herstellung von kinderpornographischem Material legal. Natürlich gab es, wie immer im Netz, ein paar Trolle, die sich groß rausbringen wollten, und die üblichen Flames losgelassen haben. Die Anti-Zensur-Bewegung, die sich schnell im Netz gebildet hatte, besteht jedoch vor allem aus Leuten, die zum einen das Sperren von Internetseiten für ein ungeeignetes Mittel halten, Kindesmissbrauch zu bekämpfen, und zum anderen einen Missbrauch der dafür aufzubauenden Infrastruktur befürchten. Unsachlich wurde die Debatte erst, als die Sperrbefürworter den Kritikern unterstellten, sie seien selbst persönlich an Bildern von Kindesmissbrauch interessiert. Die Standardformel lautete damals: “Es gibt kein Grundrecht auf Kinderpornos!”

Dass das nie jemand behauptet hatte zählte schon damals nicht. Der Zweck heiligt eben die Mittel. Im Bezug auf Frau zu Guttenberg und ihre Sendung bei RTL II scheint, zumindest wenn es nach Wefing geht, dasselbe zu gelten:

Ja, es gibt schnelle, aktionistische Schnitte in Tatort Internet, ja, es gibt emotionale Musik und eine ziemlich aufgedrehte Reporterin, die die potenziellen Kinderschänder zu stellen versucht (ohne ihre Identität preiszugeben) – aber es gibt eben auch Interviews mit Lehrern, Psychologen, mit Kriminologen, mit Fahndern, die ebenso gut in jedem öffentlich-rechtlichen Sender laufen könnten. Verbietet es sich aber automatisch, Emotion und Information miteinander zu verbinden, um Aufmerksamkeit zu erzeugen?

Als Journalist sollte Herr Wefing diese Frage eigentlich mit einem klaren “Ja” beantworten, tut er aber nicht. Stattdessen vertritt er die Ansicht, dass es anders nicht ginge (nicht ohne noch die Piratenpartei ins Gespräch zu bringen). Natürlich kann man es gut finden, wenn eine Ministergattin ihr Gesicht für eine an sich so ehrenwerte Sache wie den Kinderschutz hergibt. Ob es der Sache allerdings nutzt, wenn diese sich dann mit dem Blut- und Tittensender RTL II gemein macht, darf durchaus bezweifelt werden.

Zumal die Sendung eben nicht von Interviews mit Lehrern, Psychologen und Kriminologen lebt, sondern von der gnadenlosen Bloßstellung der vermeintlichen Täter. Dass dabei die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen mit Füßen getreten werden, und ein Fernsehsender sich anmaßt die Rolle von Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten gleichermaßen zu übernehmen, wird dadurch nicht besser, dass die Tat, die die vorgeführten Männer möglicherweise planten, diese dann zu verachtenswerten Individuen macht.

Die von Wefing als Rechtfertigung vorgebrachte Anonymisierung war wohl auch nur mehr ein Feigenblatt, einer der in der Sendung Vorgeführten wurde bereits während die Sendung noch lief, über Twitter und auf der Online-Plattform krautchan enttarnt. Selbst wenn Heinrich Wefing der Meinung wäre, das geschehe der Person schon ganz recht, was, wenn der Mob bei krautchan sich irrt, und den Falschen enttarnt? Fällt das dann unter “Collateral Damages”?

Ist die Sendung nun wenigstens ein Mittel, um an die Täter heranzukommen, wie Frau zu Guttenberg in der Sendung behauptet? Auch das ist mehr als fraglich, dürfte die Mehrheit der in der Sendung gezeigten Personen gar keine Straftat begangen haben: Das verabreden sexueller Handlungen mit realen Kindern ist nach §176  StGB, anders als in der Sendung behauptet, bereits strafbar. Bei der Verabredung mit vermeintlichen Kindern (also Personen die nur behaupten Kinder zu sein), gilt dies jedoch nicht. Ob in diesem Zusammenhang ein untauglicher Versuch vorliegt, müssen wohl Gerichte klären.

Wefing endet seinen Kommentar mit der impliziten Behauptung, dass die Kritiker der Sendung lieber auf die Persönlichkeitsrechte der vermeintlichen Täter pochen würden, als an Lösungen für die Frage, wie man gegen Kindesmissbrauch vorgeht, zu arbeiten. Das entzieht, ähnlich wie der Vorwurf, den Kritikern ginge es darum, selber ungestört Kinderpornographie konsumieren zu dürfen, einer sachlichen Debatte jede Grundlage.

Wenn man, wie Heinrich Wefing es tut, die Forderung nach einer Sprache aufstellt, in der man das Thema Kindesmissbrauch sachlich diskutieren kann, dann sollte man vielleicht bei sich selber anfangen zu suchen, und erst einmal emotional abrüsten. So sehr das Thema jedem einzelnen an die Nieren geht: Wohlfeile moralische Entrüstung ist ein ebenso schlechter Ratgeber, wie Angst und purer Aktionismus.

Sendungen wie “Tartort Internet” verquicken alle drei zu einem höchst unerfreulichen Brei, den letzten Endes diejenigen auslöffeln müssen, die hier vermeintlich beschützt werden sollen, nämlich die Opfer sexueller Gewalt.

Bitte nicht füttern!

troll [1], verb, engl. “trällern”: Ein Posting in einer Usenet-Gruppe veröffentlichen, dass den einizgen Zweck hat, möglichst viel, vorzugsweise wütende Antworten (Flames) zu produzieren. Ziel des Trollens ist nicht das Anstoßen einer Diskussion, sondern lediglich die Aufmerksamkeit der Leser.  Mit dem wachsenden Erfolg des World Wide Web fand das Trollen auf auch Einzug in die Gesellschaft.

Troll [1], subst., m.: Der T. ist jemand, der der Tätigḱeit des trollens [1] frönt. T.s finden sich in allen größeren Internetforen, im Usenet, aber in der Zeit von Web 2.0 auch vermehrt in den Kommentarsektionen von Blogs und Communities. Der T. schreibt zwar häufig und viel, aber nie Substantielles. Um möglichst viele emotionale Reaktionen zu bekommen, bedient der T. sich bevorzugt saukontroverser Themen, seine vertretene Meinung wechselt er dabei regelmäßig. Der T. vertritt nicht seine persönliche Meinung, sondern eine, von der er glaubt in der Umgebung, in der er postet, den größten Effekt zu erzielen. Da Trolle nur auf die Aufmerksamkeit der anderen Netznutzer aus sind, ist der Versuch einer Diskussion aussichtslos, es ist besser sie zu plonken. Antwortet jemand auf einen T.-Beitrag, sagt man er füttere den T. T.-Füttern ist im Netz eine verpönte Tätigkeit, die bei Netizens fast so unbeliebt ist, wie das Misshandeln von Katzen.

Warum ich das jetzt schreibe? Wegen dem hier. Der ist nämlich ein Real-Life-Troll. Mit ein paar substanzlosen Thesen, ven denen er genau weiß, dass die öffentliche Meinung hochkocht, verschafft er sich Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit, die er gut brauchen kann, hat der doch gerade ein Buch geschrieben, das vermutlich sonst kaum jemanden interessiert werden.

Automatisch böse?

Gerade bloggt Fefe über einen Text, der in der jüngsten Ausgabe der Zeit erschienen ist:

Erinnert ihr euch noch an die Zeit, als die “Zeit” als liberales Blatt galt? Als Gegenstück zur rechtskonservativen FAZ? Heute hetzt die “Zeit” gegen De Maiziere, weil er ihnen zu “soft on crime” ist und die FAZ befürwortet das bedingungslose Grundeinkommen. WTF? Gut, die FAZ hetzt auch für Internetzensur. Wer würde schon angepasste Hofberichterstattung wie die FAZ zensieren, gell? Das kann ja nur zu deren Vorteil enden, wenn der Staat eine Zensurinfrastruktur aufbaut! Deren einzige echte Bedrohung ist noch angepasstere Hofberichterstattung wie beim ZDF, daher auch die Speicherlimit-Initiative.

Ich weiß nicht welchen Artikel Fefe gelesen hat, aber scheinbar nicht den, den ich unter dem angegebenen Link gefunden habe. Der Beitrag von Wolfgang Kumm behandelt nämlich den aktuellen Zustand der Union, und ihre Position bei Wählern und Anhängern. Kumms These ist, dass die CDU durch den Versuch stärker in die Mitte zu rücken, und es allen recht machen zu wollen, ihren Zuspruch bei konservativen Wählern verliert.

Dabei vertritt Kumm die Meinung, dass die Union durch ihren Linksruck wichtige Positionen im Bereich der inneren Sicherheit aufgegeben habe, und hält dies für fatal. Wolfgang Kumm vertritt die Ansicht, dass eine pluralistische Gesellschaft eine strenge Sicherheitspolitik braucht, um die gesamtgesellschaftlichen Regeln auch druchzusetzen, und sieht genau darin eine Aufgabe der Konservativen. Darüber kann man anderer Auffassung sein, Hetze ist das nicht. Die übrigen vertretenen Thesen, z.B. zu Internetsperren, macht der Autor sich gar nicht zu eigen, sondern analysiert hier lediglich den Zustand der Union. Ein wenig mehr Differenzierung würde Fefe hier ganz gut tun.

Entsprechend wichtiger finde ich das Resümee, dass Kumm in seinem Artikel zieht:

Die CDU ist drauf und dran, den Platz rechts von sich selbst frei zu machen. Das ist, wie gesagt, bei manchen Themen unausweichlich, bei der Inneren Sicherheit ist es unnötig und demokratisch höchst riskant. In unseren europäischen Nachbarländern erstarken seit Jahren die rechtspopulistischen Kräfte. Bisher war Deutschland dagegen immun. Doch wenn die Union so weitermacht, dann entsteht ein Vakuum, das sich früher oder später füllen wird

Damit hat er Recht, und das ist etwas, dass auch mir Sorgen bereitet. Die alte Weisheit von Franz-Josef Strauss, rechts von der CSU dürfe es keine demokratisch legitimierten Parteien mehr geben, hat nach wie vor ihre Berechtigung. Ich mag die CDU/CSU nicht, aber mir ist klar, dass wir eine konservative Partei brauchen, die fest auf dem Boden des demokratischen Rechtsstaates steht, damit die Wähler am rechten Rand nicht zu NPD und Korsorten abwandern. Diese Rolle mag die Union in letzter Zeit nicht mehr übernehmen, und das als bedenklich zu benennen ist legitim, und sogar wichtig.

Ich lese die Zeit schon deswegen regelmäßig, auch weil sie solchen Positionen einen Platz einräumt. Auch wenn ich die Meinung, die Wolfgang Kumm hier vertritt nicht teilen kann, finde ich es wichtig, und richtig, dass eine liberale Zeitung ihm Platz einräumt.

Die Aufgabe einer liberalen Zeitung ist es nicht, eine mir genehme Meinung zu verbreiten, dafür haben wir die Bild, und den restlichen Gossenjounralismus. Ihre Aufgabe ist es vielmehr mich mit so vielen Standpunkten und Meinungen wie möglich zu versorgen, damit ich mir ein eigenes Bild machen kann. Bewerten kann ich dann selber.

Barrierefreiheit und Netzneutralität

Markus Beckedahl hat in seiner Antwort auf Fefes Rant gegen die Initiative Pro-Netzneutralität auf den Punkt eingegangen, dass Fefe sich so an dem Begriff der Barrierefreiheit stört. Markus schreibt dazu:

P.S. Nur mal so am Rande: Das mit der großen Kritik an dem Wort “Barrierefreiheit” in der Erklärung hab ich nicht ganz verstanden, da ich das Wort bei mehrmaligem lesen nicht gefunden habe. Kann mir das mal jemand erklären? Lösung: In der Definition von Netzneutralität auf der pro-netzneutralitaet.de – Seite kommt barrierefreiheit vor. Das verstehe ich auch nicht. (Die Definition wurde den Erstunterzeichnern auch nicht vorgelegt.)

Ich halte es für richtig, im Rahmen der Argumente pro Netzneutralität auch auf die Barrierefreiheit einzugehen. Zunächst mal bezieht sich die Barrierefreiheit natürlich auf die Gestaltung von Webseiten, und die damit verbundenen Techniken, Inhalte maschinenlesbar, und damit zum Beispiel für Screenreader lesbar zu machen. In den meisten Fällen wird da in diesem Falle mit sehbehinderten oder blinden Menschen argumentiert, für die diese Techniken sehr wichtig sind.

Es gibt aber darüber hinaus noch eine Menge anderer Bereiche, die für ein wirklich barrierefreies Netz wesentlich sind, schließlich wird das Netz nicht nur von blinden und sehenden Menschen genutzt, sondern auch von Menschen mit ganz anderen Beeinträchtigungen.

Ein Beispiel, dass an Markus Beispiel Skype anknüpft, soll dies verdeutlichen: Ich lerne selber seit einigen Jahren die deutsche Gebärdensprache, und habe dadurch natürlich auch einen kleinen Einblick in die Gehörlosencommunity bekommen. Die Gehörlosen haben das Internet als Kommunikationsmedium für sich sehr schnell entdeckt, und machen eifrig Gebrauch davon. Das sehr text- und wenig tonlastige Internet scheint auch auf den ersten Blick ideal geeignet zu sein. Trotzdem gibt es Probleme, die man als Hörender oft nicht wahrnimmt. So haben viele Gehörlose Probleme mit der deutschen Schriftsprache. Das liegt zum einen daran, dass Gehörlose in der Bildung noch bis in die neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts hinein massiv diskriminiert wurden, weil als Unterrichtsschwerpunkt an Gehörlosenschulen der Erwerb der Lautsprache im Vordergrund stand, andere Unterrichtsinhalte wurden den Schülern schlicht vorenthalten. An der Mehrzahl der Schulen wird der Unterricht noch heute in Lautsprache gehalten. Dazu kommt, dass für Gebärdende die deutsche Sprache eine Fremdsprache ist, die sie ebenso mühsam lernen müssen, wie wir Englisch oder Französisch lernen. Dienste wie Skype, oder das in Deutschland unter Gehörlosen sehr beliebte Programm CamFrog stellen eine gute Alternative dar. Hier ermöglicht das Internet eine einfache und leicht zu handhabende Kommunikation, wie sie für Hörende das Telefon darstellt.

Wenn nun die Netzneutralität aufgegeben wird, fällt diese Kommunikationsform schlicht weg. Man sollte nicht davon ausgehen, dass die Zugangsanbieter ein Intresse an der Durchleitung der Videodaten von CamFrog hätten. Der Markt für solche  besonderen Bedürfnisse ist einfach zu klein, als dass große Konzerne ein Interesse daran hätten, hierfür eigene Dienste anzubieten, oder sich auch nur die Mühe der Durchleitung zu machen. Wenn sie die Daten weiterleiten würden, wäre dies vermutlich so teuer, dass die meisten Betroffenen es sich nicht leisten könnten. Ich bin überzeugt, dass es viele Fälle gibt, bei denen ich mich nicht so gut auskenne, wo ähnliche Auswirkungen auch für andere Minderheiten zutreffen. So wird aus einer Diskriminierung von Daten dann eine Diskriminierung von Menschen um realen Leben.

Deswegen halte ich es für richtig, den Begriff der Barrierefreiheit mit in den Katalog der Argumente aufzunehmen, denn ohne Netzneutralität kann es auch keine Barrierefreiheit geben.

Viral Marketing for Good

Seit einigen Tagen geistert dieses Video immer wieder durchs Netz.

Es handelt sich dabei, wie Netzpolitik schreibt, um einen Lobbyfilm der fiktiven Firma Blackwell Briggs der wohl Teil einer viralen Marketing Kampange ist. Allerdings handelt es sich auch nicht um einen Werbefilm der Firma Nokia. Schaut man sich die Seite der Macher der Kampange Conspiracy For Good an, stößt man bald auf den Namen Tim Kring. Kring ist Drehbuchautor und Produzent, und zeichnet unter anderem für die erfolgreiche TV-Serie Heroes verantwortlich. Tatsächlich ist Conpiracy for good Teil eines neuen Projektes von Kring, der eine Art interaktives Geschichtenerzählen etablieren will, bei dem der Fortgang der Geschichte in verschiedenen Medien abläuft, und der Nutzer -ähnlich wie bei einem Rollenspiel- Teil der erzählerischen Handlung ist. Wie interaktiv das Ganze dann wirklich wird, bleibt abzuwarten.

Kring erklärt seine Ideen in diesem Interview:

Da die Conspiracy for Good Kampange, technisch von Nokia ausgestattet wurde, ist die Erwähnung des Unternehmens nicht überraschend.

Viele Firmen unterstützen in den USA, wo Product-Placement nicht verboten ist, TV- und Filmproduktionen, wenn im Gegenzug ihre Produkte in den Filmen und Serien gezeigt werden.

Digitale Zeitungen – Heute: Die Süddeutsche

Nach dem ich ja neulich bereits ausführlich über meine Erfahrungen mit der Zeit berichtet habe, und Bella von Brainweich.de den großen Online Zeitungstest angefangen hat, will ich heute mal die nächste Runde eröffnen. Heute im Test: Die Süddeutsche Zeitung.
Ein paar Dinge fallen erstmal Positiv auf, nachdem man auf der Homepage auf den Reiter E-Paper geklickt hat. Erstmal gibt es eine Demoversion der Online-Ausgabe, hier kann man sich eine ältere Ausgabe der Zeitung ansehen, und zwar so, wie sie dem Leser auch im Abo präsentiert wird. Damit muss man schon mal nicht die Katze im Sack kaufen, man kann direkt am Bildschirm ausprobieren, wie das Handling des Online-Druckwerks sich anfühlt. Letzteres nimmt sich allerdings bescheiden aus: Ein Facsimile der Originalzeitungsseite präsentiert sich als Thumbnail, umgeben von einigen mageren Java-Script-Bedienelementen. Das ist nicht nur nicht schön, sondern leider auch etwas sperrig zu bedienen. Die Seite skaliert gar nicht, was bei kleinen Bildschirmen dazu führt, dass der Anwender viel scrollen muss, um einzelne Artikel zu sehen, auf großen Bildschirmen ist dagegen die Schrift so klein, dass man die Schlagzeilen über den Artikeln kaum mehr lesen kann.
Klickt man einen Artikel in der Übersicht an, öffnet sich ein Fenster, in dem der Artikel angezeigt wird.
Das Inhaltsverzeichnis zur Linken springt dagegen nicht einzelne Artikel an, sondern ledigich die Rubriken, in die die Zeitung aufgeteilt ist.

Die Bedienelemente an der Seite jeder Zeitung erlauben das Betrachten der Seite in Orginalgröße, den Download derselben als PDF-Datei, und das umschalten zwischen der Betrachtung einer Einzelseite und einer Doppelseite. Der Einzelseitenmodus führt dabei jedoch nicht automatisch zu einer Vergrößerung der Darstellung -hier muss der Anwender das Werkzeig Groß auswählen, dass im Doppelseitenmodus nicht zur Verfügung steht.
Warum das zusätzliche Werkzeug Lupe nur im Einzelseitenmodus zur Verfügung steht, ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Abonennten des E-Paper können sich im Abo-Bereich der Zeitung allerdings auch die vollständige Ausgabe als PDF herunterladen. Dabei werden, wie schon von der Zeit bekannt, die Zeitungsseiten als Facsimiles im PDF-Format dargestellt.
Eine interessante Variante stellt die sog. Textversion dar. Hierbei kann man die Zeitung Online in einem mobilgerätefreundlichen Format lesen; bereinigt um alle Bilder, so dass der Download der einzelnen Seiten nur wenige Kilobyte groß ist.
Ein weiterer schöner Service ist, dass man bei der Süddeutschen ältere Ausgaben der Zeitung als PDF erwerben kann, ohne ein Abo zu haben. Die PDF-Dateien werden mittels Click-and-buy einzeln bezahlt.

iPhone-Besitzer können bei der Süddeutschen sogar auf eine iPhone-App zurückgreifen. Wer sich die erstmal ansehen will, lädt sich die kostenlose Version herunter, diese bietet die Inhalte der Webseite, vermischt mit etwas Werbung.
Beim Start der Applikation muss man 10 Sekunden warten, uns eine Werbung für die Bezahlausgabe ansehen, danach hat man Zugriff auf alle Inhalte, die auch auf der Webseite zu sehen sind. Im wesentlichen scheint es sich bei der App um einen Wrapper für den Safari-Browser zu handeln, denn die Bedienung unterscheidet sich nicht sehr von der der Webseite. Allerdings sind hier die Schriftarten so gewählt, dass sie auf dem iPhone gut lesbar sind, und die Bilder angenehm herunterskaliert, so dass das Laden sehr schnell geht.
Alles in allem kann man die Zeitung so auf dem Display des iPhone gut lesen.  Die Startseite präsentiert die wichtigsten Schlagzeilen, und am oberen Rand ein Menü, aus dem man die Ressorts (Politik, Wirtschaft, Geld, Kultur etc) auswählen kann. Jedes Ressort ist durch eine Farbe gekennzeichnet, was die Orientierung innerhalb der Menüs erleichtert.
Wer mit seinem iPhone vertraut ist, wird wenig Probleme haben sich zurecht zu finden. Allerdings bietet die App wenig mehr als die Webseite selbst; zumal alle Inhalte direkt von der Webseite gezogen werden. Einer eigenen App hätte es dafür nicht gebraucht,  die mobilen Versionen z.B. der Tagesschau zeigen, dass sowas auch mit gutem CSS-Skripting geht. Auch Apples WebApps bieten diese Lösung, ohne über den Umweg des AppStore zu gehen. Offenbar ist das bei der Süddeutschen auch bekannt, denn -abgesehen von dem Apple-typischen Look-and -Feel, unterscheidet sich die mobile Version der Webseite, die Smartphone benutzer automatisch zu sehen bekommen, kaum vom Erscheinungsbild der App.

Die Gold-Version der App, kostet für 30 Tage nur 1,59€, und beinhaltet keinerlei Abo-Verpflichtung. Gegen den Preis ist eigentlich nichts einzuwenden, allerdings bekommt man auch wenig Mehrwert: Die App kündigt einen Offline Modus an, in dem die Artikel heruntergeladen und gespeichert werden können, einen konfigurierbaren Dienst für Push-Benachrichtigungen, durch den man sich über Beiträge zu seinen Interessenfeldern benachrichtigen lassen kann, und individuell einstellbarer Schriftgröße. Einen Zugriff auf Premium-Inhalte, sowie
grundlegende Funktionen, wie das anlegen von Lesezeichen, dass im Browser kein Problem darstellt, sucht man in der App indes vergebens.

Alles in allem ist die Idee der App ein schöner Ansatz um die wachsende Gemeinde von iPhone- und Smartphonebenutzern anzulocken, allein es mangelt an der Umsetzung. Selbst der günstige Preis von 1,59€ rechnet sich nicht, wenn man auf der Mobilversion der Webpräsenz dieselben Inhalte präsentiert bekommt, und dabei sogar auf Funktionen wie Lesezeichen zurückgreifen kann.
Die skalierbare Schriftgröße dürfte für die wenigsten User entscheidend sein, weil die Defaultdarstellung bereits gut lesbar ist, die Inhalte der Webseite zu speichern macht nur in ausnahmefällen Sinn, haben deutsche iPhone-Besitzer doch in der Regel ohnehin einen großzügigen Volumenvertrag, ohne den man das iPhone ja gar nicht kaufen kann, und ob man für die Push-Benachrichtigungen Geld ausgeben will bleibt jedem selbst überlassen.

Fazit: Sowohl bei der ePaper-Ausgabe als auch bei der iPhone-App sollte die Süddeutsche mehr Mut beweisen. Mit einer App, die nur Zugriff auf Inhalte bietet, die der Nutzer ohnehin auf der Webseite lesen kann, und die dabei noch weniger komfortabel ist als der Webbrowser wird man kaum zahlende Leser anlocken können, das wird auch als Testballon, ob die Leser so ein Angebot annähmen nicht funktionieren. Dabei bietet besonders die App viele Chancen, auch für Payed-Content. Ich könnte mir zum Beispiel ein Micropaymentmodell vorstellen, bei dem ich nur für die Artikel bezahle, die ich wirklich herunterlade. Überschreite ich dabei ein bestimmtes Volumen, wird automatisch die komplette Ausgabe gekauft (einige Mobilfunkanbieter bieten solche Tarife für’s telefonieren an, wieso nicht auch bei Zeitungen). Apples iPhone OS bietet diese Möglichkeiten an. Dann sollte die App eine bequeme Lesezeichenfunktion bieten, und z.B. auch einen Zugriff aufs Archiv. Zudem könnte man der App einen Zugriff auf die Kommentarfunktion der Webseite spendieren, so dass auch Online-Leser sehen können, was andere Leser so zu den Themen sagen. Zudem wäre ein Feature interessant, bei dem man seine besonderen Interessengebiete angibt, und so eine individualisierte Startseite bekommt.
Leider ist die App von diesen Vorschlägen noch meilenweit entfernt, und so fürchte ich, wird das Projekt am Ende unter den üblichen Wehklagen eingestellt, die User würden ja nichts bezahlen wollen.

Wie man Online keine Zeitungen verkauft

Ich bin seit einiger Zeit Abonnent der Wochenzeitung Die Zeit. Da ich das klassische Zeitungsformat für sehr unhandlich halte, und ohnehin viel Zeit am Rechner verbringe, habe ich mich für das Online-Angebot entschieden. Inhaltlich bekommt man da auch einiges geboten: Neben der Zeitung selbst kann man jede Woche noch das Lifestyle Magazin “Zeit Leben” lesen, und bekommt zusätzlich auch noch Zugriff auf einen Podcast, bei dem man 14 ausgewählte Artikel vorgelesen bekommt (ein Angebot, dass ich sehr zu schätzen weiß). Einen Zugriff auf das Archiv der Zeitung erhält man auch. Mit 30€ für ein halbjahres Abo ist das ganze wahrlich nicht zu teuer.
Leider gerät das Lesen der Zeitung oftmals zur Qual: Die Online-Ausgabe wird als PDF Datei angeboten, in der die Facsimiles der Zeitungsseiten zu finden sind. Der Vorteil davon ist, dass die Onlineausgabe exakt so aussieht, wie die auf Papier. Allerdings sollte man schon einen 23-Zoll Bildschirm sein Eigen nennen, um die Seiten komfortabel lesen zu können.  Zudem sind die Dateien meist zwischen 200 und 300 MB groß, was ich schon ziemlich viel finde.
Da ich meine Zeitung gern unterwegs, z.B. im Bus, lese, möchte ich die Zeitung auf meinem iPhone lesen können. Es gibt zwar einige gute PDF-Reader, die auch mit großen PDFs umgehen können, aber das Lesen einer Zeitungsseite die rund 5 mal so groß ist, wie das Display des iPhone ist schon sehr anstrengend. Hinzu kommt, dass die riesigen Dateien dazu führen, dass mein PDF-Reader immer nur kurze Ausschnitte der Seite rendern kann, scrolle ich zu weit, wird 10 oder 20 Sekunden lang gerendert, bevor der Text dargestellt wird. Alles in allem sehr unbefriedigend.

Schön also, dass die Zeit ihre Online-Ausgabe auch als ePub Datei anbietet. Die Datei ist nur etwas über ein MB groß,  hat ein durchsuchbares Inhaltsverzeichnis, und diverse Reader auf dem iPhone unterstützen das Format. Ich benutze dafür Stanza. Also fröhlich auf den Link geklickt der verspricht:

Download der gesamten Ausgabe als Datei im ePub-Format für elektronische Lesegeräte (< 1MByte)

Was im übrigen nicht ganz stimmt, die Datei ist mit 1134 KiB etwas größer als 1 MiB, aber das ist ja nicht wichtig. Die überraschung folgt sofort: Statt eines ePub-Files bietet mir mein Browser nur eine acsm Datei an. Das Kleingedruckte klärt auf:

Um DIE ZEIT im ePub-Format lesen zu können benötigen Sie die kostenlose Software Adobe Digital Editions. Diese können Sie hier gratis herunterladen. Adobe Digital Editions ermöglicht es Ihnen E-Books auf Ihrem Computer zu lesen und diese auf externe Lesegeräte zu übertragen.

Damit beginnt der Ärger: Adobe Digital Editions ist eine proprietäre Software, die es mal wieder nur für Windows gibt.
Die Nutzung des offenen ePub-Formates hilft da nicht, aber wenn es denn sein muss. Also schmeiße ich die Virtual Machine mit Windows XP an, öffne den Link, um das Programm herunter zu laden, und:

Um diese Seite anzeigen zu können benötigen Sie die aktuelle Version des Adobe Flash Players. Klicke Sie hier, um Adobe Flash Player zu installieren.

Nun klicke ich brav und installiere Flash. Ob ich daneben auch noch einen “Security Scan Plus” der Firma McAfee installieren möchte, werde ich nicht gefragt, das passiert einfach. Schön, wenn man schon einen Virenscanner laufen hat, der sich mit McAfee beißt. Zum Glück passiert bei mir nichts schlimmes.
Schließlich sehe ich aber immerhin das Flashapplet auf dem Bildschirm. Es zeigt ein bischen Text und einen Installieren Button.
Ich atme tief durch und klicke darauf. Tatsächlich, ein Installationspaket wird geladen und gestartet. Ich wundere mich, dass ich über die nun startende Installation gar nicht mehr um Erlaubnis gefragt werde. Bei einem unmodifizierten Windows, rattert der Installer einfach drauf los, wenn auf dem Flash Applet Adobe draufsteht.
Schließlich sehe ich das Begrüssungsfenster von Digital Editions. Das Programm macht einen recht aufgeräumten Eindruck, will aber von mir eine Authorisierungs-ID haben. Da ich nicht weiß, was das ist, klicke ich auf Authorisierungs-ID anfordern, und lande im Online-Shop von Adobe. Eigentlich wollte ich ja gar nichts kaufen, aber man braucht wohl ein Konto, um die Software nutzen zu können, kennt man ja. Die Anmeldeseite verschlägt mir erstmal die Sprache, neben Namen und Anschrift und einer gültigen EMail-Adresse möchte Adobe wissen, was ich für einen Beruf habe, und meine Telefonnummer soll ich bitte auch hinterlassen. Ausserdem gibt es eine ganze Reihe von Haken, mit denen ich mich für alle möglichen Newsletter und Werbezusendungen eintrage und Adobe erlaube die Daten weiter zu verkaufen. In der deutschen Version der Seite sind die Haken allerdings nicht vorbelegt, um dem deutschen Datenschutzrecht zu genügen; immerhin. Da muss meine alte Freundin Afanen mal wieder herhalten, die seit Jahren geduldig all meine Spams entgegen nimmt…
Nach dieser Klickorgie, bin ich also bei Adobe angemeldet, und suche nun verzweifelt nach einem Link, über den ich die ominöse Authorisierungs-ID anfordern kann, finde aber nichts. Das naheliegende, die Anmeldedaten, die ich bei der Kontoanlage angegeben habe, sind es jedenfalls nicht. Ich brauche ein paar Minuten, bis ich auf die Idee komme, statt des Benutzernamens, den ich mir ausgesucht habe, mal meine Email Adresse anzugeben (also die von Afanen, um genau zu sein ;-)). Damit klappts.
Nun klicke ich auf der Zeit-Seite nochmal auf den Link zur ePub-Ausgabe. Tatsächlich öffnet sich Digital Editions, und beginnt die Zeitung herunterzuladen. Endlich kann ich meine Zeitung lesen! Aber das ganze soll ja noch ins iPhone. Also suche ich eine Funktion, mit der ich meine Dateien in einen eBook Reader übertragen kann. Fehlanzeige. Ein Blick ins Handbuch hilft:

Medien auf andere Computer übertragen

Falls Sie Ihren Computer autorisiert haben, sperrt Adobe Digital Editions weder Ihre eBooks noch andere digitale Veröffentlichungen, die auf diesem Computer gespeichert sind. Stattdessen werden sie Ihnen über Ihre Adobe-ID zugeordnet. Somit können Sie Medien aus Ihrer Bibliothek auf bis zu sechs Computer oder unterstützte mobile Geräte (z. B. den Sony® Reader) übertragen.

Für den Transfer zwischen zwei Geräten müssen beide mit Ihrer Adobe-ID autorisiert werden.

Hinweis: Bei der Übertragung auf einen anderen Computer werden keine Lesezeichen kopiert.

So übertragen Sie ein Medium auf einen anderen autorisierten Computer:

   1. Auf dem Herkunfts-Computer suchen und öffnen Sie den Ordner „My Digital Editions“, der sich im Ordner „Dokumente und Einstellungen“ befindet.
   2. Wählen Sie die EPUB- oder Adobe PDF-Datei für das Medium, das Sie übertragen möchten.
   3. Kopieren Sie die ausgewählten Dateien auf ein portables Speichermedium, z. B. ein Flash-Laufwerk, oder senden Sie sie per E-Mail an den Ziel-Computer.
   4. Auf dem Ziel-Computer kopieren Sie nun die EPUB- oder Adobe PDF-Dateien ins Verzeichnis „Dokumente und Einstellungen\My Digital Editions“.
   5. Starten Sie Adobe Digital Editions auf dem Ziel-Computer. Wählen Sie „Bibliothek > Medium zur Bibliothek hinzufügen“, navigieren Sie zum Ordner „My Digital Editions“, und wählen Sie die neuen Dateien aus, um sie in die Bibliothek aufzunehmen.

Wie bitte? Ich soll die Dateien selber kopieren? Wozu brauch ich nochmal den verdammten Reader? Für mich stellt das keine größere Hürde dar, aber viele Anwender düften mit so einer Anweisung hoffnungslos überfordert sein. Das einzige Gerät das Adobe direkt unterstützt ist der Sony PRS-505, der bei amazon.de rund 300€ kaufen. Dafür kann ich 5 Jahre lang die Online-Ausgabe der Zeit lesen. Für’s Zeitung lesen etwas teuer.
Angesichts des ganzen Aufwands fürchte ich ja schon, dass die Datei mit DRM verschlüsselt ist, und mein Stanza nicht als autorisierter Reader zugelassen ist. Versuchen will ich es trotzdem. Wer das iPhone kennt, weiß, dass man nicht so einfach Daten dorthin kopieren kann. Leider geht das auch nicht via Jailbreak, weil Stanza seine Files über den selben Mechanismus signiert, wie die iPod App. Also kann ich zusätzlich noch den lexcycle-Desktop installiern, oder die Datei direkt aufs iPhone laden. Weil mein lokaler Webserver eh’ läuft, kopiere ich die Datei flugs dorthin, und tippe (sic!) die URL ins Downloadfenster von Stanza. Der Download klappt, dann die Fehlermeldung:

Unable to convert file (DRM Error – no authorization).

Fazit: Es geht nicht. Nun stellt sich mir die Frage, was sich die Herausgeber der Zeit dabei denken. Einerseits beklagt man sich, dass zuwenig Leute Zeitungen kaufen, und man sie dafür gewinnen muss im Netz Geld für Journalismus zu bezahlen, und dann sowas.
Die meisten “normalen” Anwender, dürften gar nicht soweit gekommen sein, wie ich. Zum einen, weil ihnen oft das Fachwissen fehlt, sodass sie schon an der Installation des Adobe Programms scheitern, zum anderen weil viele die nötige Geduld gar nicht aufbringen. Immerhin ist man ja auf die Seiten der Zeit gegangen, weil man seine Zeitung lesen wollte.
Den Flash-Orgien zum Dank, werden obendrein gerade die Nutzer ausgeschlossen, für die die ePub Version ideal wäre: Wegen ihrer Formatunabhängigkeit lassen sich die ePub Dateien prima von Screenreadern parsen oder auf Braille-Zeilen darstellen; für sehbehinderte und blinde Menschen eine funktionierende Lösung an eine Tageszeitung zu kommen. Der untersützte Sony PRS-505 dagegen unterstützt Text-To-Speech bewusst nicht, man will ja den lukrativen Markt für überteuerte Audiobooks nicht kaputt machen.

Für die Herausgeber der Zeit hat das DRM-Getue letztlich auch keinen Sinn: Herunterladen kann die Dateien nur, wer ein Abo hat, und wer die Zeitung dann im Netz verbreiten will, kann dies mit der PDF-Version tun, die ist nämlich unverschlüsselt. Zusätzlich stehen viele der Inhalte ohnehin auf der Homepage von Zeit-Online. Die Verbreitung über Tauschbörsen sollte eine Zeitung auch nur begrenzt fürchten; bis die Zeitung so weit geseedet ist, dass sie schnell und für jedermann abrufbar ist, vergehen meist ein paar Tage; bis dahin erscheint bereits die nächste Ausgabe. Und nichts ist bekanntlich so alt, wie die Zeitung von gestern.

Update: Ich hatte mich mit meinen Problemen auch an den Abo-Service derzeit gewandt. Dort hat man mir auch umgehend geantwortet, mit der etwas ausweichenden Antwort, man prüfe der Zeit das ePub Format. Immerhin nimmt man das Problem offenbar ernst genug, dass sich jemand damit befasst. Inzwischen gibt es auf der Zeit-Seite einen Link, der zu der Übersicht von Adobe führt, welche Reader für ihr DRM freigegeben sind. Leider sind nicht alle Modelle in Deutschland erhältlich, wobei man natürlich durchaus auch in den USA bestellen kann. Ich weiß allerdings nicht, ob Adobe, ähnlich wie auf dem DVD-Markt, eine Zonierung durchführt, sodass man in Deutschland erworbene Bücher nur auf deutschen eReadern lesen kann. Die DRM-Technologie würde das auf jeden Fall erlauben.

Update 2: User(in) Co hat in den Kommentaren einen Weg aufgezeigt, wie es doch klappt: Das Gratis-Tool Txtr kann Adobe Digital Editions lesen. Wenn man also statt Stanza Txtr nimmt, dann geht es. Ich finde das immer noch erheblich zu aufwändig für den normalen Anwender, aber es funktioniert. Also, danke für den Tipp!

Selbstauskunft bei Datenkraken

Seit dem 1. April diesen Jahres ist das verschärfte Bundesdatenschutzgesetz in Kraft. Neben einigen Verfahrensvereinfachungen für Datensammler, ist die wichtigste Neuerung des Gesetzes, dass Recht auf Selbstauskunft (auch Eigenauskunft) in §34:

(1) 1Die verantwortliche Stelle hat dem Betroffenen auf Verlangen Auskunft zu erteilen über

1. die zu seiner Person gespeicherten Daten, auch soweit sie sich auf die Herkunft dieser Daten beziehen,

2. den Empfänger oder die Kategorien von Empfängern, an die Daten weitergegeben werden und

3. den Zweck der Speicherung.

2Der Betroffene soll die Art der personenbezogenen Daten, über die Auskunft erteilt werden soll, näher bezeichnen. 3Werden die personenbezogenen Daten geschäftsmäßig zum Zweck der Übermittlung gespeichert, ist Auskunft über die Herkunft und die Empfänger auch dann zu erteilen, wenn diese Angaben nicht gespeichert sind. 4Die Auskunft über die Herkunft und die Empfänger kann verweigert werden, soweit das Interesse an der Wahrung des Geschäftsgeheimnisses gegenüber dem Informationsinteresse des Betroffenen überwiegt.

Für Unternehmen, die Daten über Bürger sammeln, bedeutet dies, dass sie auf Verlangen Auskunft über alle Daten geben müssen, die sie über den Betroffenen speichern. Einschließlich der Information, woher die Daten stammen.

Nun ist es natürlich sehr mühselig all die Firmen herauszusuchen, und persönlich anzuschreiben. Viele Menschen werden sicher vor dem Aufwand zurückschrecken drei Dutzend Briefe zu versenden.

Das dachte sich auch Julian Kornberger von Digineo und richte kurzerhand einen kostenlosen Service ein, bei dem man automatisch  bei derzeit 35 Firmen eine Selbstauskunft einholen kann. Die Liste der Firmen wird ständig erweitert, und da viele Unternehmen für eine Auskunft eine Kopie des Personalausweises verlangen, arbeitet Julian zur Zeit an der Möglichkeit einen Scan des Personalausweises hochladen zu können.

Wichtig zu wissen ist natürlich, dass man die bei Digineo hinterlegten Daten jederzeit einsehen, und auch selber löschen kann. Weiterverwertet werden die Daten dort laut Digineo selbstverständlich auch nicht. Trotzdem sind ein paar Dinge zu beachten:

  • Überlegt euch, welche der angebotenen Firmen ihr tatsächlich anschreiben wollt. Viele sind Inkassounternehmen, die eure Daten vermutlich nur haben, wenn ihr schon mal mit ihnen zu tun hattet. Nach der Anfrage haben sie sie.
  • Schwärzt bei der Kopie eures Ausweises die Seriennummer, Geburtsdatum und die anderen Daten, die nicht wichtig sind, um eure Identität zu bestätigen. Man muss Datenkraken ja nicht nocb mehr Informationen hinterher werfen.

Das ganze ist eine super Idee, die vor allem vom Mitmachen lebt: Je mehr Leute die Datensammler mit Anfragen bombardieren, desto unangenehmer wird es für die (und teurer, denn jede Antwort kostet Porto!).

Sendezeiten im Internet

Jetzt verstehe ich wie sich die Länder Sendezeiten im Internet vorstellen.

Vorratsdatenspeicherung nichtig

  1. Die §§ 113a und 113b des Telekommunikationsgesetzes in der Fassung des Artikel 2 Nummer 6 des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 3198) verstoßen gegen Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes und sind nichtig.
  2. § 100g Absatz 1 Satz 1 der Strafprozessordnung in der Fassung des Artikel 1 Nummer 11 des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 3198) verstößt, soweit danach Verkehrsdaten nach § 113a des Telekommunikationsgesetzes erhoben werden dürfen, gegen Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes und ist insoweit nichtig.
  3. Die aufgrund der einstweiligen Anordnung vom 11. März 2008 im Verfahren 1 BvR 256/08 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 659), wiederholt und erweitert mit Beschluss vom 28. Oktober 2008 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 2239), zuletzt wiederholt mit Beschluss vom 15. Oktober 2009 (Bundesgesetzblatt Teil I Seite 3704), von Anbietern öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste im Rahmen von behördlichen Auskunftsersuchen erhobenen, aber einstweilen nicht nach § 113b Satz 1 Halbsatz 1 des Telekommunikationsgesetzes an die ersuchenden Behörden übermittelten, sondern gespeicherten Telekommunikationsverkehrsdaten sind unverzüglich zu löschen. Sie dürfen nicht an die ersuchenden Stellen übermittelt werden.
  4. Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen aus den Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Das Bundesverfassunggericht hat die Vorratsdatenspeicherung gekippt. Ein Gesetz für nichtig zu erklären, ist wohl die schärfste Sanktion, die das Gericht verhängen kann. Darüber hinaus sind alle bereits angefallenen Daten sofort zu löschen.

Nun hat das Verfassungsgericht nicht entschieden, dass gar nicht auf Vorrat gespeichert werden darf, es bleibt also abzuwarten, wann die Politik den nächsten Anlauf startet. Die Hürden aber, liegen hoch: So dürfen die Daten nur benutzt werden, wenn eine Straftat besonderer Schwere vorliegt, auf die Daten darf nur unter einem strikten Richtervorbehalt zugegriffen werden. Der Präsident des Verfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hat in seinen Ausführungen festgehalten, dass der Richtervorbehalt an eine Begründung gekoppelt sein muss. Massengenehmigungen, bei der ein Richter keine zwei Minuten zur Beurteilung hat, sind also wohl nicht zulässig.

Das Gesetz muss regeln, wie die Datensicherheit sichergestellt werden kann, die Daten müssen verschlüsselt werden, und eine unabhängige Behörde muss die Einhaltung überwachen, darf aber die Daten nicht selber speichern. Auch wenn einige, die sich  besser auskennen als ich, sagen, es sei nicht der große Sieg, für den Gesetzgeber wird es vermutlich einfacher sein, ein Quick-Freeze einzuführen, wogegen IMHO auch nichts einzuwenden ist.

Als nächstes heisst es nun, die EU-Richtline selbst anzugehen, und, wenn möglich, zu kippen.

Sex and the Spiegel

In Spiegel-Online erschien am 20.02. unter der Rubrik “Uni-Leben” ein Beitrag über züchtige US-Studentinnen von Gregor Peter Schmitz.  Es geht dabei um eine Bewegung von ultra-orthodoxen Protestanten, die ihre Kommilitonen von den angeblichen Vorteilen eines keuschen Lebens überzeugen will, und dabei noch behauptet, dies sei das feministische Ideal. Die Gruppe True Love Revolution geht dabei mit Flyern und recht aggressiven Bekehrungsmethoden vor, weshalb sie bei Mitstudenten im traditionell eher etwas entspanntern Nord-Osten der USA nicht so gut ankommt.

Der Spiegel ziztiert in diesem Artikel auch die US-Bloggerin Lena Chen, die in den USA vor allem mit Ihrem Blog Sex and the Ivy, in dem sie recht freizügig über das Sexualleben der Havardstudenten (mitunter auch ihr eigenes) berichtet, und selbstbewusst feministische Ansichten vertritt. Chen, die selber deutsch spricht, hat den Spiegel-Artikel in ihrem Blog hefig kritisiert:

I was reading along happily until I got to the paragraph about me, which includes a reference to my “ultrakurzen Minirock” that excites the boys on campus. That means “ultra-short miniskirt”. Wait … why are they talking about my clothing choices? And where are these ultra-short miniskirts, because Cambridge, Massachusetts is sure as hell not the ideal place to wear them. (I may have been deluded about this my freshman year, but I — and my hemlines — have long since grown up.)

Lena Chen vergleicht den Artikel weiterhin mit in der Tat sehr sexistischen Äußerungen, die über sie in den amerikanischen Medien verbreitet wurden. Im ersten Moment dachte ich noch: “Das läßt sich doch nicht vergleichen!”

Ich habe den Artikel daraufhin nochmals gelesen, und muss feststellen, dass Chen mit ihrer Kritik durchaus recht hat. Obwohl Schmitz sich bemüht, sie als fortschrittliche Angehörige einer post-feministischen Avantgarde zu zeichnen, bedient er sich dazu zutiefst sexistischer Klischees:

Sex-Genießer wie die Soziologiestudentin Lena Chen hingegen, die einen Blog über ihr Liebesleben schreibt und mit ihrem ultrakurzen Minirock mindestens den männlichen Teil der Campus-Population verzückt, meinen: Eine starke Frau solle sich gerade nicht fürs voreheliche Vögeln schämen. “Es ist unrealistisch, dass mir jede Person, mit der ich Sex habe, wirklich wichtig ist”, sagt Chen. “Sex fühlt sich einfach gut an.”

Was hat Lena Chens Kleiderwahl, oder ihr mutmaßlicher Erfolg bei den m��nnlichen Kommilitonen denn mit dem Thema (letztlich geht es religösen Fanatismus) zu tun? Als ernsthaften Leser interessiert mich doch, was Chen zu den Umtrieben ihrer Komilitoninnen zu sagen hat, und nicht, was sie dabei anhat. Es bleibt bei diesem Absatz der Beigeschmack des Sensationsheischenden, das Lena Chen auf ihre sexuelle Aktivität reduziert, ohne wirklich auf ihre politischen Ansichten einzugehen. Ich bin sicher sie hat mehr dazu zu sagen, als “Sex fühlt sich einfach gut an!”

Für Lena Chen kommt hier vermutlich hinzu, dass in den USA eine andere Einstellung gegenüber Sexualtiät gepflegt wird: Chens Ansichten gelten dort vielen als radikal, während bei uns jeder sagt “Ist doch ganz normal”. Andersherum können die kruden Ideen von True Love Revolution, den meisten Europäern eher ein mitleidiges Lächeln abringen, als eine gesellschaftliche Debatte.  Dass Chen sich deshalb von der Wortwahl in eine Schmuddelecke gerückt sehen könnte, muss man zumindest in Erwägung ziehen. Als Autor in einem Online-Magazin sollte man aber daran denken, dass die Personen, die man zitiert, den Artikel später vielleicht selber lesen.

Wo wir aber schon dabei sind: Die Hauptperson im Artikel, ist die Co-Präsidentin von True Love Revolution, Rachel Wagley. Über sie heißt es im Artikel:

Denn die hübsche 20-Jährige mit den langen braunen Haaren fungiert als Co-Präsidentin von “True Love Revolution”, einer kleinen Gruppe von Harvard-Studenten, die sexuelle Enthaltsamkeit vor der Ehe propagiert.

Warum ist es in diesem Zusammenhang wichtig, dass es sich bei Wagley um eine “hübsche 20-jährige, mit langem braunen Haar” handelt? Neben dem Artikel ist ein Bild von ihr, da kann  ich selber sehen, dass sie hübsch ist, dass muss nicht noch mal extra gesagt werden. Vielmehr vermeint dieser Satz ein Motiv untermauern zu müssen, dass direkt nicht angesprochen ist: Das Wagley nämlich tatsächlich aus religösen Motiven handelt, und nicht etwa weil sie 40 und fett und häßlich sei, und deswegen sowieso keinen Sex bekäme. “Fünf Mark in die Chauvikasse bitte!”, an dieser Stelle. Mit Verlaub, dass finde ich im Kern noch sexisitischer als die Bemerkungen über Lena Chens Kleidung. Und vermutlich hat Georg Peter Schmitz diesen Sexismus in seinem Artikel überhaupt nicht bemerkt. Den ansonsten manchmal sogar überkritischen Bloggerinnen vom Mädchenblog jedenfalls, ist er auch nicht aufgefallen. Das mag natürlich daran liegen, dass sie Wagleys kruden Thesen ablehnend gegenüber stehen, und sich daher mehr mit ihr, als mit Georg Peter Schmitz’ Text befassen.

Lena Chen sei gesagt: Ihr Zitat wird in Deutschland durchweg positiv aufgenommen, und ich vermute die meisten Leser und Leserinnen des Spiegel werden ihren Aussagen über das selbstbestimmte Leben von Frauen zustimmen. Egal wie sie sich kleidet.

Recht wird von allen gemacht

Wenn man Harald Wefings Kommentar in der Zeit liest, in der er die Erosion des Rechts im digitalen Zeitalter beklagt (mal wieder, muss man hier sagen), weil die Regierung vor “der Internet-Community” eingeknickt sei, könnte man meinen, eine böse Macht habe das Land überrannt und mit Einschüchterung und Drohungen den Rechtsstaat ausgehebelt.

Tatsache ist jedoch, dass das Scheitern des Netzsperrengesetzes ein Akt gelebter Demokratie war. Die vielen Uunterstützer der Anti-Zensur-Kampangen sind nämlich -gemeinsam mit dem Rest der Bevölkerung- der Souverän, von dem -laut Grundgesetz- alle Macht ausgehrt. Diese Macht beschränkt sich nunmal nicht nur darauf, alle 4 Jahre irgendwo ein Kreutzchen machen zu dürfen.

Natürlich kann man Argumente finden, für die Netzsperren. Aber die Ängste von Millionen Menschen, dass die damit geschaffene Kontrollinstanz misbraucht werden könnte, einfach als “Verschwörungstheorie” vom Tisch zu wischen, ist bestenfalls naiv. Es ist ja nicht so, dass der Staat, in Form seiner Organe, nicht schon früher seine Befugnisse immer weiter ausgedehnt hat, so das letztlich nur das Verfassungsgericht einem verfassungswidrigen Misbrauch staatlicher Befugnisse einen Riegel vorschieben konnte.

Wenn Wefing die “Erosion des Rechts”, also die seiner Meinung nach abnehemende Bereitschaft von Netznutzern, sich an Gesetze zu halten, beklagt, beleuchtet er nur die Seite der Nutzer:

Denn einen Staat, der das Recht notfalls auch im Netz durchsetzt, werden wir noch brauchen: um gegen die permanente Enteignung geistiger Arbeit vorzugehen; um den massenhaften Missbrauch von Daten zu unterbinden; und um die Oligopole zu kontrollieren, zu denen sich Konzerne wie Google und Apple mit ihren beispiellosen Überwachungs- und Manipulationsmöglichkeiten längst entwickeln.

Dass das Netz an einigen Stellen bereits völlig überreguliert ist. dass zum Beispiel jeder Blogger überlegen muss, ob er auf einen kritischen Blogeintrag nicht besser verzichtet, weil schon die Nennung eines Firmennamens tausende Euro schwere Urheberrechtsklagen nach sich ziehen kann, und dass eine regelrechte Abmahnmafia im Fahrwasser tatsächlicher Urheberrechtsverletzungen auch unbescholtene Netznutzer mit teuren Abmahnverfahren überzieht, kommt bei Wefing nicht vor.

Viele ungelöste Probleme harren der Lösung, vom Umgang mit Urheberrechtsverstössen, bis zum Umgang mit strafbaren Inhalten. Diese Lösung kann aber nicht von oben diktiert werden, und schon gar nicht von Menschen, denen die Welt der “Digital Natives” so fremd ist, wie die Oberfläche des Mars. Viele Mitglieder der “Online-Gesellschaft” sind in der vernetzten Welt zu Hause, sie wollen keine Auseinandersetzung, keinen “Kampf der Kulturen”, sondern ein friedliches Miteinander unter jenen die im Netz zu Hause sind, und jenen, die nicht im Netz leben. Die Art und Weise wie mit Diffamierungen und Beschimpfungen gegen die “böse Community” gewettert wurde, um das Netzsperrengesetz polpulär zu machen, hat zu teils heftigen und oft auch unsachlichen Gegenreaktionen geführt. Ich halte das nicht für gut, habe aber Verständnis dafür, muss ich doch mittlerweile überlegen ob ich auf gesellschaftlichen Anlässen noch meinen Beruf erwähne, weil ich fürchten muss, gemieden oder geächtet zu werden als “Terrorist”, “Filesharer” oder gar “Kinderschänder”.

Harald Wefing täte gut daran, sich mit Vertretern von Online-Communities und Netzaffinien Menschen einfach mal zu unterhalten. Dann würde er vielleicht erkennen, dass es sich bei diesen nicht um geistig verkrüppelte Soziopathen handelt, die jenseits des Monitors keine Kontakte pflegen können, sondern um Bürger wie Du und ich, die so verschieden sind, wie die Gesellschaft in unserem Land ist.

Foto: Mathias Bothor/photoselection
Wir müssen Guido Westerwelle in einem Punkt
korrigieren. Unsere Gegenwart ähnelt überhaupt
nicht der Zeit der spätrömischen Dekadenz, son-
dern sie zittert vor spätmittelalterlichem, genauer:
frührenaissancehaftem Bewusstsein eigener Ver-
werflichkeit. So haltlos-verworren ist alles, dass
man sich fühlt wie im Florenz des 15. Jahrhun-
derts, kurz bevor der Mönch Savonarola einen
großen Scheiterhaufen errichtet, auf dem iPads
und Manolos in Flammen aufgehen, vor allem
unser mehrdeutiges Denken.
Der Spiegel hat schon mal eine schwarze Kapu-
ze übergestülpt, er geißelt sich und uns diese Wo-
che mit einem langen Litanei-Feuilleton: »Die
Sünde hat ein Imageproblem.« Nein, wir wollen
doch gar nicht mehr sündigen! Zerknirschungen,
Geständnisse, Schwüre, Bekundungen und Loyali-
JOSEF JOFFE ist
tätsbeweise, wohin man horcht. Unser Land
Herausgeber der ZEIT
durchschreitet die Phase der Bußfertigkeit und
bekennt sich aktiv zum Guten: Köln will jetzt soli-
fahrtsreform von 1996 zeigt: Der Anspruch auf le-
de bauen. Westerwelle bekennt sich zum Leis-
benslange Sozialhilfe wurde auf fünf Jahre gekürzt,
tungswillen. Die Springer-Presse bekennt sich zu
Väter wurden rigoros zum Unterhalt gezwungen.                                       Denn einen Staat, der das Recht notfalls auch
Westerwelle, so heftig, dass es der FDP schon mul-
Anderseits gab’s eine Fülle von Arbeitsanreizen: Kitas,                         im Netz durchsetzt, werden wir noch brauchen:
mig wird. Alle anderen bekennen sich zum Sozial-
Umschulung für Mütter, Vorschulen für »bildungs-                                um gegen die permanente Enteignung geistiger
staat. Gut deutsch ist das Bekennertum organisiert:
ferne« Kinder, Steuerguthaben für Geringverdiener,                              Arbeit vorzugehen; um den massenhaften Miss-
In der CDU bekennt sich die Arbeitsgemeinschaft
Geldwertes für Firmen, die Sozialhilfeempfänger                                 brauch von Daten zu unterbinden; und um die
Engagierter Katholiken zum »C«. Von ihr haben
anheuerten. Die Folge? In den folgenden zehn Jahren                             Oligopole zu kontrollieren, zu denen sich Kon-
sich bereits die Christlich Sozialen Katholiken ab-
sank deren Zahl von 12,2 Millionen auf 4,5 Millio-                              zerne wie Google und Apple mit ihren beispiel-
gespalten, die sich darüber hinaus auch noch zu
nen. Die Kinderarmut fiel auf den niedrigsten Stand                             losen Überwachungs- und Manipulationsmög-
Angela Merkel bekennen. Merkel selbst soll sich
seit 30 Jahren.                                                                 lichkeiten längst entwickeln.
jetzt zu Westerwelle bekennen oder zum Sozial-
Westerwelle hätte just einen solchen Anstoß
staat. Oder zur Springer-Presse. Vielleicht auch zu
geben können. Aber Provokation bringt die bes-
Köln. Oder zu Florenz.
seren Schlagzeilen. Die Empörung auch.                                                                                                                              THOMAS E. SCHMIDT