Nachdem es auf diesem Blog ja in letzter Zeit etwas ruhig geworden ist (mir fehlt einfach die Zeit zum bloggen), will ich nun einen neuen Anlauf wagen.
Diesmal soll es wieder politischer werden, habe ich mir vorgenommen. Für die Fundgrube witziger und interessanter Sachen bleibe ich euch hier natürlich erhalten, aber der politische Kram, im besonderen der der mit Überwachung und Bürgerrechten zu tun hat, zieht um.
Diese Themen werde ich ab sofort im Blog Preis der Freiheit behandeln. Ich hoffe, dass ihr mir dorthin folgen mögt.
Gerade bin ich vom FoeBud in einer E-Mail benachrichtigt worden, dass -wie ja auch in den Medien zu erfahren war- die Sammelbeschwerde gegen ELENA beim Bundesverfassungsgericht eingereicht wurde.
22.005 Menschen haben sich an der Aktion beteiligt. Das sind zwar weniger als bei der Vorratsdatenspeicherungsklage, aber diese Beschwerden sind in nur wenig mehr als zwei Wochen zustande gekommen!
An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei allen Leuten vom FoeBud und allen die freiwillig geholfen haben, den riesigen Berg an Vollmachten zu bearbeiten, und zum Bundesverfassungsgericht zu bringen bedanken: Vielen Dank, dass ihr mir, und 22.004 anderen Bürgern ermöglicht habt, erneut in einer großen Aktion gegen ein weitreren Baustein der Überwachungsgesellschaft zu klagen!
Auch diejenigen, die nicht mehr dazu gekommen sind, mitzuklagen können etwas tun: Den FoeBud kann man auch finanziell unterstützen.
Einige Bremer Schulen haben sich zu einem besonders pädagogisch wertvollen Konzept gegen Gewalt an Schulen durchgerungen:
“An den genannten Schulen kam es in der Vergangenheit immer wieder zu [...] Körperverletzungsdelikten. Mit dem Betreiben einer Videoüberwachungsanlage sollen diese Straftaten verhindert werden. Sie dient damit dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Schülerinnen, Schüler und des schulischen Personals [...]. Diese Grundrechte sind von der Schulkonferenz gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung abgewogen worden und dabei als überwiegend eingeschätzt worden.”
“Es haben die Schulleiterin bzw. der Schulleiter und zur Wahrung des „4-Augen Prinzips“ jeweils eine weitere Person der Schule, sowie die Polizei im Falle einer Straftat Zugriff auf die Videoaufzeichnungen.”
Also liebe prügelnden Klappskallis, da eure Lehrer ein Auge zudrücken und CCTV anknipsen, könnt ihr nicht nur weiterhin ungestört eure Mitmenschen verprügeln sondern das Ganze - vorausgesetzt ihr habt einen Kamera-Funkempfänger whireshark – auf YouTube posten.
“Außerdem lag in den meisten Fällen kein angemessenes Datenschutzkonzept vor; insbesondere hat häufig die gesetzlich vorgeschriebene Anordnung der Leitung der jeweiligen Schule, die den Zweck, die räumliche Ausdehnung und die Dauer der Videoüberwachung dokumentiert, gefehlt.”
“Die Schule solle neben Rechnen und Schreiben auch Demokratie, Achtung der Menschenwürde und Freiheit lehren – eine Videoüberwachung von Klassenräumen, Eingangsbereichen und Schulhöfen sei mit diesen Prinzipien unvereinbar; Überwachungstechnik dürfe Pädagogik nicht ersetzen.”
“Die Gewaltbereitschaft von Schülerinnen und Schülern unter einander, Diebstahl und Vandalismus auf dem Schulhof, aber auch unerlaubtes Rauchen (sic!) stellen heute an vielen Schulen ein Problem dar. Eine Schule in Bremen hat sich deshalb entschieden, die Schülerschaft mittels einer sichtbaren Videoüberwachung aufzurütteln und abzuschrecken.”
Der “32. Jahresbericht der Landesbeauftragten für Datenschutz” ist online (pdf). Im Folgenden das Inhaltsverzeichnis des Datenschutzberichtes: Einige Highlights sind dabei, so waren die Bremer Landesnetze vom Conficker Wurm befallen und man weiß immer noch nicht wie das geschah. Leider habe ich keine Zeit für einen Kommentar – sendet Trackbacks, nutzt die Kommentarfunktion oder schickt eine Mail an [email protected].
Bremische Bürgerschaft
Ergebnisse der Beratungen des 31. Jahresberichts
Behördliche Beauftragte für den Datenschutz
Workshops der behördlichen Datenschutzbeauftragten 2009
Behördlicher Datenschutz im Bereich der Gesundheit Nord gGmbH
Datenschutz durch Technikgestaltung und -bewertung
IT-Sicherheitsmanagement für das Land Bremen
Administrativer Zugang am Dataport-Standort Bremen
VIS – Zentrales System zur elektronischen Aktenführung … weiterlesen
Die Fantasien von Thomas de Maizière, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und anderen Spannern Nacktbilder von Fluggästen zu erstellen sollen nun über die bereitwillig von der Presse mitgetragene Umbenennung von Nacktscanner in Körperscanner sowie einer Privacy-Funktion Realität werden: Ob sich irgendetwas gefährliches am Körper befindet sollen Computer autonom erkennen können und erst dann ein stilisiertes Bild für die Sicherheitsleute ausgeben. Träger und Trägerinnen von Intimpiercings können sich schon jetzt auf dumme Sprüche bei der Sicherheitskontrolle einstellen.
Das man mittels Bilderkennung keinen Zwei-Komponenten Sprengstoff erkennen kann ist klar: Die Spannerkästen haben selbst beim Detektieren von Waffen nur eine Erfolgsquote von 60%. Aber immerhin kann man Nacktbilder von den um unsere Sicherheit besorgten Politiker und Politikerinnen aus den Nacktscannern abschnorcheln:
Das stilisierte Bild für die Sicherheitsleute ist nämlich nur eine Schein-Privacy-Funktion: Natürlich werden nach wie vor Nacktbilder mit allen Details erstellt. Erst nachträglich werden diese für die Bilderkennung erstellten Nacktbilddaten zu den Grafiken mit den schemenhaften Umrissen eines Menschen umgewandelt.
Alle Daten, also auch die Nacktbilder-Rohdaten, sollen nach dem Schein-Sicherheitscheck umgehend gelöscht werden. Löschen bedeutet aber bei digitalen Datenträger, dass lediglich die Meta-Informationen (z.B. wo sich die Daten auf dem Speichermedium befinden) und nicht die Daten(blöcke) selber gelöscht werden. Angenommen es werden 300kb große Nacktbilder erstellt und das Speichermedium ist nur 2GB groß, dann befinden sich in jedem Spannerkasten immerhin noch knapp 7000 Nacktbilder.
Durch Social Hacking direkt am Flughafen oder später auf der Müllkippe sollte man an die Speichermedien der Nacktscanner herankommen. Die Wiederherstellung der gelöschten Daten (Meta-Informationen) ist kinderleicht. Ich bin gespannt auf die CDU-FDP-SPD-Peepshow *fg*
CDU und FDP drehten sich gemeinsam innerhalb von 24 Stunden um 180 Grad: Nacktscanner, in denen Bosbach (CDU) 2008 keinen zusätzlichen Sicherheitsgewinn sah, sind wieder en vogue. Direkt nach dem Anschlagsversuch in Detroit hieß es noch “Neue Sicherheitsgesetze brauchen wir nicht”. Einen Tag später hatten aber führende Politiker von CDU und FDP keine grundsätzlichen Bedenken mehr gegen die Spannerkästen. Begründet wird der Sinneswandel über Nacht mit einer Privacy-Funktion für Nacktscanner, die verhindert, dass der “Intimbereich der Passagiere tangiert wird “, so Bosbach … vermutlich stellen sich das CDU Politiker folgendermaßen vor:
Wie auch immer CDU und FDP unseren Intimbereich nicht tangieren wollen, technisch kann man das nur mit nachträglicher Bildbearbeitung umsetzen, da man Zwei-Komponenten Sprengstoff sicherlich scharf dargestellt haben möchte: Auch wenn Zöllner erst unsere Körper mit unscharfen Konturen zu Gesicht bekommen, nachdem eine autonome Bilderkennung Zwei-Komponenten Sprengstoff erkannt haben will (das klappt nie in Anbetracht des derzeitigen Stands der Technik), müssen hierzu Daten mit allen Details erstellt werden. Neben gefühlter Sicherheit, gefühlter Datenschutz! Im Grunde fordern damit CDU und FDP gerade die größte Pornoproduktion aller Zeiten ein. Tabus kennen sie dabei nicht: Von Rentnern, Hunden (?) und selbst Kindern sollen Nacktbilder abgepresst werden. Insbesondere letzteres bringt die Sicherheitsleute an Flughäfen juristisch in die Klemme, da sie Kinderpornografie per Dienstvorschrift produzieren müssten. In Großbritannien warnte die Kinderrechtsorganisation “Action on Rights for Children” bereits massiv vor Nacktscanns von Kindern. Die Hersteller der Spannerkästen empfehlen daher Nacktbilder erst von Kindern die älter als 12 Jahre sind und wenn Eltern dem zugestimmt haben zu erstellen, was natürlich nicht das rechtliche Kinderpornografie Problem löst. Abgesehen davon, dass sich keiner vor dem Staat nackig machen will, sind allein wegen dieser Rechtsproblematik Nacktscanner eine Schnapsidee, denn Kinder außen vor zulassen, würde die Idee, dass Spannerkästen das Fliegen sicherer machen, wiederum ad absurdum führen, da es bereits ein Selbstmordattentat von einem Zehnjährigen (sic!) gab.
… abschließend noch ein Bruce Schneier Zitat: “Nur zwei Dinge haben das Fliegen (seit 9/11) wirklich sicherer gemacht: verstärkte Cockpittüren und die Tatsache, dass Passagiere inzwischen wissen, dass sie sich gegen Hijacker wehren können.”
Auf wikileaks.org wurde ein als “vertraulich” eingestuftes Paper der Universität York veröffentlicht, das die Entwicklung einer von der EU finanzierten intelligenten Rasterfahndung beschreibt, die Blogs, Chats, Nachrichtenseiten und Social-Networks durchschnorchelt, um automatisiert Akten über Personen, Organisationen und deren Beziehungen anzulegen:
“The aim of work package 4 (WP4) is the development of key technologies that facilitate the building of an intelligence gathering system by combining and extending the current-state-ofthe- art methods in Natural Language Processing (NLP). One of the goals of WP4 is to propose NLP and machine learning methods that learn relationships between people and organizations through websites and social networks. Key requirements for the development of such methods are: (1) the identification of entities, their relationships and the events in which they participate, and (2) the labelling of the entities, relationships and events in a corpus that will be used as a means both for developing the methods.”
Nun heißt es nicht mehr die Regierung könnte uns alle an Hand unserer Datenspuren analysieren sondern sie finanziert dazu bereits Forschungsvorhaben.
Ein “Wunschzettel” der Referate des Innenministerium ist aufgetaucht, der über das Wahlprogramm der CDU hinausgehend einen Ausbau des Verfassungsschutz zu einer allgemeinen Sicherheitsbehörde fordert. Die als Reaktion auf nationalsozialistische Herrschaftsinstrumente wie Gestapo und Reichssicherheitshauptamt etablierte strikte Trennung von Geheimdienst und Polizei würde damit weiter aufgeweicht. Das Papier vom 22. September trägt den Titel “Vorbereitung Koalitionspapier” und liegt der “Süddeutschen Zeitung” vor. Es sieht für den Verfassungsschutz folgende neue Kompetenzen vor:
Zugriff auf die Daten der Vorratsdatenspeicherung (ist bisweilen der Polizei und Justiz vorbehalten)
Lausch- und Spähangriffe in Privatwohnungen
Außerdem sieht das Papier für alle Sicherheitsbehörden neue Methoden vor:
Einführung des genetischen Fingerabdruck als “erkennungsdienstliche Standardmaßnahme” (also auch bei Ladendiebstahl)
Straffreiheit für verdeckte Ermittler bei der Begehung von Straftaten die zum “szenetypischem Verhalten” gehören.
Auch wenn Schäubles Büroleiter, Bruno Kahl, erklärt, dass das Papier der Leitungsebene des Hauses nicht vorlag und es postwendend zu einem “Ministeriums-Internum” umbenennt, dürfte es dem Innenminister gefallen: “Die Wirklichkeit halte sich nicht an diese klare Trennung. Und der demokratische Rechtsstaat dürfe sich dem Wettkampf mit den Gefährdern nicht verweigern. Bessere Vernetzung von Behörden und Informationen sei eine Notwendigkeit”, so Schäuble bereits 2007 auf einer Tagung des Auslandgeheimdienstes BND.
Update: Wolfgang Bosbach schließt die Umsetzung der Vorschläge nach der Bundestagswahl kategorisch aus.
„Neue Befugnisse wie Online-Durchsuchungen, Späh- oder Lauschangriffe für den Verfassungsschutz werden nach der Bundestagswahl keine Rolle spielen.“
„Die Diskussion um erweiterte Rechte für den Verfassungsschutz ist eine Phantom-Debatte.“#
So Bosbach weiter. Neben der Tatsache, dass man hellhörig werden sollte, wenn ein CDU-Politiker das Wort “Phantomdebatte” in den Mund nimmt, ist seine Begründung interessant: Laut der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte Bosbach nämlich, mit einer Koalition aus FDP oder SPD seien die Pläne nicht umsetzbar. Mit anderen Worten: Die CDU distanziert sich nicht von den Vorschlägen, sondern bedauert lediglich, keinen Koalitionspartner zu finden, um die feuchten Träume des Innenministeriums wahr werden zu lassen.
Gestern fand die Freiheit statt Angst Demo 2009 in Berlin statt. Wie gewohnt schien die Sonne und erneut hat der CCC eingeräumt das Wetter gehackt zu haben. Die Teilnehmer Anzahl war wieder gigantisch, wobei sich alle einig sind, dass folgende Passage des Demoaufrufs des CCC in diesem Jahr dafür ursächlich war:
“Wir wissen: Demonstrieren macht sexy, verbessert die Muskulatur und schafft Möglichkeiten zur persönlichen unbelauschten Fraternisierung mit Gleichgesinnten.”
Spiegel Online schwadroniert auch schon von der “Loveparade für Bürgerrechte“. Über die exakte Zahl der Teilnehmer kann man sich wie immer streiten. ARD: Mindestens 10000 und AK Vorrat: 25000, wobei die Einschätzung des AKs realistisch ist.
Dank Wahlkampf dominierten Orange und Grün die Demo. Linke, FDP und 4 Jusos waren ebenfalls anwesend. Allerdings wäre etwas mehr Zurückhaltung der Parteien – insbesondere der Piraten am Ende der Veranstaltung – auf der Demo wünschenswert gewesen.
“Die Vorgehensweise der an der Festnahme beteiligten Beamten einer Einsatzhundertschaft, die auch in einer im Internet verbreiteten Videosequenz erkennbar ist, hat die Polizei veranlasst, ein Strafverfahren wegen Körperverletzung im Amt einzuleiten. Das Ermittlungsverfahren wird durch das zuständige Fachdezernat beim Landeskriminalamt mit Vorrang geführt.”
Update 3: Selbst die Bildzeitung berichtet mittlerweile. Im privat geführten Forum für Polizisten, copzone.de, wird versucht mit Beamten zu diskutieren, ob es sich um “ein paar schwarze Schafe oder ein strukturelles Problem handele” (Hier ein “Best-Of” des Dialogversuches).