Mit einem Bein im Knast

Daß der  neue Entwurf zum Sperren von kinderpornographischen Seiten nicht nur zum Zensieren unliebsamer -aber legaler- Inhalte taugt,  sondern auch Möglichkeiten für Angreifer bietet, sein Opfer Verfolgung durch die Justiz auszusetzen haben ja Alvar Freude und Holger Köpke schon berichtet.

Nachdem Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) ja verlauten lies, daß jeder der auf dieser Sperrseite landet, mit Strafverfolgung zu rechnen habe, und beweisen müsse, das es sich bei dem Aufruf der gesperrten Seite um ein Versehen handele, ist es geboten nocheinmal darauf hinzuweisen, wie einfach es ist, auf so eine Seite zuzugreifen ohne das zu merken.

Die Angriffsmöglichkeit über iFrames und Skripte sind schon genannt worden, aber es geht auch einfacher: Prefetch.

Aktuelle Firefox-Versionen verwenden eine Funktion, bei der entsprechend markierte Links in angezeigten Seiten im Hintergrund bereits verfolgt und heruntergeladen wird. Besonders für Anwender mit langsamen Verbindungen ist das praktisch, weil -so die Prefetch-Links sinnvoll gesetzt sind- die Seite, die wahrscheinlich als nächste betrachtet wird, geladen wird, solange der User die vorherige Seite noch betrachtet.

Google macht regen Gebrauch von dieser Funktion, in dem die Suchmaschine eine Bewertung vornimmt, und die Seiten, die der User am wahrscheinlichsten Aufrufen wird, entsprechend markiert. Auf dem Bildschirm sieht man davon allerdings nichts. Erst ein Blick in den Browser Quellcode offenbart, wo der Mechanismus greift.

Prefetchflag bei Wikileaks

Prefetchflag bei Wikileaks

Google fügt diesen Link zwar nur ein, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, daß der User auf Informationen auf Wikileaks gesucht hat (sucht man nur nach Wikileaks fehlt der Link), aber es besteht die Möglichkeit auf eine gesperrte Seite zuzugreifen, nur dadurch, daß man die Suchergebnisse von Google ansieht.

Ich habe bewußt das Beispiel WikiLeaks gewählt, weil nach der Einführung des Gesetzes eine gute Chance besteht, daß Wikileaks auf der Liste landet. Sollte das BKA den Fehler der Briten zu wiederholen, und Wikipedia auf die Liste setzen, wird die Gefahr noch größer, wenn man bedenkt, wie häufig die Wikipedia in den Googleergebnissen auftaucht.

Besonders wenn die Bedrohung, wikileaks.org auf die Zensurliste zu setzen, Realität wird, werden die Staatsanwaltschaften wohl in Zukunft viel mehr Arbeit haben.

Zum Schluß noch ein Tipp, wie man den Prefetch abstellen kann. Beim Firefox ist diese Funktion voreingestellt. Duch Eingabe about:config erreicht man die Voreinstellungsseite von Firefox. Hier setzt man die Option network.prefetch-next auf false.

Update: Netzpolitik.org schreibt nun auch über das moderne Abenteuer Prefetching.

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2 Antworten zu “Mit einem Bein im Knast”

  1. Thomas Koch sagt:

    Bitte? Prefetch abstellen? Soweit haben Sie es gebracht, dass ich meinen Browser umstellen muss um nicht verdächtig zu werden?

    • Jali sagt:

      @Thomas Koch: Ich habe es soweit gebracht, oder sollte das “Sie” kleingeschrieben sein?
      Aber mal ernsthaft: Die Gefahr ist leider durchaus real. Sicher wird nicht in jedem Fall ein Ermittlungsverfahren folgen, aber es wird bestimmt ausreichen, daß bei dem ein oder anderen User die Schere im Kopf aktiv wird. Lieber den ein oder anderen Blog nicht aufsuchen, oder die neusten Insiderinformationen zum Bahn-Datenskandal auf Wikileaks ansehen, es könnte ja sein, daß die abgerufene Seite auf der Liste steht. Wer lässt schon gerne eine Hausdurchsuchung wegen Kinderpornographie über sich ergehen. Der Vorwurf ist ein derart scharfes Schwert, daß sichergestellt werden muß, daß er nicht misbräuchlich erhoben werden kann. Und genau das leistet der Gesetzentwurf nicht.

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