Mit ‘Sarrazin’ getaggte Artikel

Scham

Gestern war ich mit einer Freundin unterwegs, die demnächst umziehen will. Ich habe mit ihr die neue Wohnung angesehen, und die Küche ausgemessen, damit die anzuschaffende Einrichtung nachher auch passt.

Die Wohnung ist in einem typischen Reihenhaus. Gut gepflegt, in dem kleinen, aber hübschen Garten des Hauses blühen die letzten Rosen des Jahres, Weinlaub rankt sich über dem Sitzplatz im Innenhof.

Der Vermieter ist ein Herr mittleren Alters, der uns freundlich begrüßt. Er lebt mit seiner Familie in der oberen Wohnung des Hauses, erzählt, dass er 3 Kinder hat (weshalb es manchmal ein bischen lauter sein kann, das störe doch hoffentlich nicht?), und dass er Ingenieur ist. Eine typische deutsche Mittelstandsfamilie eben, auch wenn sie einen türkisch klingenden Nachnamen hat.

Wir messen die Wohnung aus, und klären Formalien. Meine Freundin freut sich über die Wohnung. Als wir uns verabschieden fällt unser Blick auf ein kleines Bild über der Eingangstür. Es zeigt mehrere arabische Schriftzeichen in zwei leicht überlappenden goldenen Kreisen. Der Vermieter erklärt uns, dies sei ein Segenswunsch, den man in vielen arabischen Ländern, und auch in der Türkei, gern über dem Eingang aufhängt, der Spruch wünsche dem Haus und seinen Besuchern Gottes Segen. Ich fühle mich irgendwie an den extrem häßlichen Engel erinnert, den meine Nachbarn, zum selben Zweck, über ihrer Tür hängen haben. Den finde ich sogar noch eine Nummer  kitschiger als diesen Schriftzug.

Dann beeilt sich der Vermieter uns zu versicheren, dass er und seine Familie ja mit irgendwelchem Islamismus nichts zu tun hätten, und sie -obwohl sie Moslems seien- natürlich nichts von Al-Kaida und Co. halten. Ich höre ihm zu. Und ich schäme mich. Da steht dieser Mann in seinem eigenen Haus, und rechtfertigt sich bei mir, einem Fremden, für seine Religion.

Plötzlich sind Muslime in diesem Land nicht mehr Familenväter, Ingenieure, Hausbesitzer, sondern eben vor allem: Muslime. Die Debatten über “Integration” und “Kopftuchmädchen”, wie sie von Thilo Sarrazin geführt werden, setzen Menschen muslimischen Glaubens unter Druck, so sehr, dass viele glauben sich für Ihre Religion entschuldigen oder rechtfertigen zu müssen. Islam = Terrorismus, lautet die Formel, die da aus den rechtskonservativen Lagern dröhnt. Für den niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders ist die bürgerliche Existenz nur Fassade, hinter der der böse Muselmann lauert, der nur darauf wartet Deutschland und Europa zu “Islamisieren”. Die Einwanderer seien nicht etwa gekommen, um sich ein besseres Leben aufzubauen, sie seien Teil einer Invasionsarmee, deren Masterplan es sei, dieses Land zu übernehmen, und die Scharia einzuführen.

Anstatt diese kruden Verschwörungstheorien als dass zu brandmarken was sie sind, krude Verschwörungstheorien eben, werden sie in Sonntagabendtalkshows breitgetreten, und in den Massenmedien weiterverbreitet. Gewiß, Geert Wilders, Thilo Sarrazin und ihre Brüder im Geiste werden nicht müde zu erklären, dass sie keine Nazis sind, und ideologisch sind sie das auch nicht, aber die Saat die sie säen trägt dieselben bitteren Früchte.

Ich habe mich bislang nie geschämt, für das Land aus dem ich komme. Jetzt gerade tue ich das.

Bitte nicht füttern!

troll [1], verb, engl. “trällern”: Ein Posting in einer Usenet-Gruppe veröffentlichen, dass den einizgen Zweck hat, möglichst viel, vorzugsweise wütende Antworten (Flames) zu produzieren. Ziel des Trollens ist nicht das Anstoßen einer Diskussion, sondern lediglich die Aufmerksamkeit der Leser.  Mit dem wachsenden Erfolg des World Wide Web fand das Trollen auf auch Einzug in die Gesellschaft.

Troll [1], subst., m.: Der T. ist jemand, der der Tätigḱeit des trollens [1] frönt. T.s finden sich in allen größeren Internetforen, im Usenet, aber in der Zeit von Web 2.0 auch vermehrt in den Kommentarsektionen von Blogs und Communities. Der T. schreibt zwar häufig und viel, aber nie Substantielles. Um möglichst viele emotionale Reaktionen zu bekommen, bedient der T. sich bevorzugt saukontroverser Themen, seine vertretene Meinung wechselt er dabei regelmäßig. Der T. vertritt nicht seine persönliche Meinung, sondern eine, von der er glaubt in der Umgebung, in der er postet, den größten Effekt zu erzielen. Da Trolle nur auf die Aufmerksamkeit der anderen Netznutzer aus sind, ist der Versuch einer Diskussion aussichtslos, es ist besser sie zu plonken. Antwortet jemand auf einen T.-Beitrag, sagt man er füttere den T. T.-Füttern ist im Netz eine verpönte Tätigkeit, die bei Netizens fast so unbeliebt ist, wie das Misshandeln von Katzen.

Warum ich das jetzt schreibe? Wegen dem hier. Der ist nämlich ein Real-Life-Troll. Mit ein paar substanzlosen Thesen, ven denen er genau weiß, dass die öffentliche Meinung hochkocht, verschafft er sich Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit, die er gut brauchen kann, hat der doch gerade ein Buch geschrieben, das vermutlich sonst kaum jemanden interessiert werden.